Midnight Breed - Alles über die Welt von Lara Adrians Stammesvampiren
haben, ihr Leben zu retten, konnten Sie den Angreifer sehen?«
»Ja«, antwortete er und verzog keine Miene. »Ich habe ihn kurz gesehen, unmittelbar bevor ich bewusstlos geschlagen wurde.«
Savannahs Atem gefror in ihren Lungen. »Haben Sie es jemandem erzählt?«
»Natürlich. Der Polizei heute Morgen, bei meiner Vernehmung nach der Entlassung aus dem Krankenhaus.«
Savannah schluckte, alles andere als sicher, ob sie einen anderen Menschen laut aussprechen hören wollte, was ihr solches Entsetzen bereitete. »Was haben Sie ihnen erzählt, Professor Keaton?«
»Was ich gesehen habe. Einen Obdachlosen, der wahrscheinlich von der Straße hereinkam, auf der Suche nach etwas von Wert, um es für Drogen zu versetzen. Rachel und ich überraschten ihn, und er griff uns an wie ein wildes Tier.«
Savannah hörte zu, und für einen Augenblick verschlug es ihr die Sprache. Das ergab keinen Sinn. Nicht, dass die Vision, die Rachels Armreif ihr gezeigt hatte, mehr Sinn machte, aber ihr war klar, dass Keaton log. »Sind Sie sicher? Dass es ein Obdachloser war und nicht … jemand anders?«
Da lachte Keaton laut auf. Abrupt stellte er das Radio ab, seine Bewegungen waren zu hastig. »Ob ich sicher bin? Ich war der Einzige, der dort war und gesehen hat, was passiert ist. Natürlich bin ich sicher. Was soll das, Savannah? Was ist mit Ihnen los?«
»Nichts.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich versuche nur zu verstehen, was passiert ist.«
»Ich habe es Ihnen gesagt.« Er beugte sich weiter über den Beifahrersitz und griff nach dem Türöffner. »Wohin wollen Sie eigentlich?«
»Zur Anglistik«, antwortete sie hölzern, ein unerklärliches Gefühl von Unbehagen breitete sich in ihr aus. »Ich muss mich mit meinem Professor treffen, welchen Unterrichtsstoff ich während meiner Beurlaubung mit nach Hause nehme.«
»Sie verlassen die Uni?« Er klang überrascht, aber sein Gesicht blieb seltsam reglos, ausdruckslos und undurchdringlich. »Wegen dem, was passiert ist?«
»Ich muss.« Sie wich von der Tür zurück und achtete dabei darauf, dass ihre Bewegungen locker wirkten und ihre Stimme unbeschwert klang, während sie hastig eine Notlüge formulierte. »Es gibt bei mir zu Hause gerade einige Probleme, und meine Familie braucht mich.«
»Verstehe.« Keaton nickte. »Sie haben doch sicher gehört, dass Rachels Beerdigung Ende dieser Woche in Brookline ist. Ich weiß, dass Sie ganz alleine in Boston sind, also, wenn Sie möchten, nehme ich Sie gerne mit …«
»Nein danke.« Natürlich hatte sie von der Beerdigung gehört und Rachels Mutter ihr Beileid ausgesprochen, als die aufgelöste Frau sie angerufen hatte, um ihr Datum und Uhrzeit mitzuteilen. »Ich fahre heute Abend nach Louisiana. Mein Busticket ist schon reserviert.«
»So bald schon«, bemerkte er. »Nun, dann lassen Sie mich Sie wenigstens zur Anglistik mitnehmen. Wir können uns unterwegs noch ein wenig unterhalten.«
Savannahs Unbehagen vertiefte sich. Nie im Leben wäre sie zu ihm in den Wagen gestiegen, so seltsam, wie er sich benahm. »Ich bin schon spät dran, es geht schneller, wenn ich zu Fuß die Abkürzung quer über das Unigelände nehme.« Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Aber danke für das Angebot, Professor Keaton. Jetzt muss ich wirklich los.«
»Wie Sie möchten«, sagte er und schaltete sein Radio wieder ein. »Machen Sie’s gut, Savannah.«
Sie nickte ihm fröhlich zu und ging auf den sicheren Gehsteig zurück, zu den Hunderten von Studenten, die immer noch in ihrer Mittagspause umherliefen. Savannah sah zu, wie Keaton davonfuhr.
Sobald sein weißer Wagen um eine Ecke außer Sichtweite auf einen anderen Teil des Campus verschwunden war, atmete sie auf. Ihr war gar nicht bewusst gewesen, dass sie den Atem angehalten hatte. Dann drehte sie sich hastig in die entgegengesetzte Richtung um und rannte davon, als wäre ihr der Leibhaftige auf den Fersen.
9
Savannah saß auf der Kante ihres Hartschalenkoffers am South-Station-Busterminal, ihr rechtes Knie wippte nervös auf und ab. Ihr Bus hatte Verspätung. Sie war heute Abend einige Stunden zu früh zum Bahnhof gekommen, konnte kaum erwarten, unterwegs zu sein. Wollte verzweifelt nichts wie weg hier.
Ihr beunruhigendes Zusammentreffen mit Professor Keaton hatte ihr zusätzlich zu allem anderen zugesetzt, aber es war ihr Anruf in der Bücherei später von zu Hause aus gewesen, der Savannahs Verwirrung und Unbehagen wirklich verstärkt hatte.
Mrs Kennefick hatte ihr nicht helfen können,
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