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Miss Emergency

Miss Emergency

Titel: Miss Emergency Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Rothe-Liermann
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Boden unter den Füßen zu haben, auch jeden modrigen Waldtümpel in unseren Augen wie ein kristallklares Meer aussehen ließe. Jenny steigt aus dem Cabrio, stolziert schlüsselschwenkend zu einer Hütte und kommt mit einem diensteifrigen Herrn wieder heraus. Der lädt unsere Sachen aus dem Auto und trägt sie … zu einem Floß. »Na, Kinder, was hab ich versprochen?«, strahlt Jenny.
    Der Nachmittag auf dem Floß ist eigentlich herrlich. Jenny hat an alles gedacht, Kuchen, Sekt und Decken mitgebracht und Zeitschriften gekauft. An Isa und mich ist das völlig verschwendet. Während Jenny gemütlich Kuchen futtert und uns aus den Klatschmagazinen vorliest, sind Isa und ich still damit beschäftigt, uns zu sammeln. Wir sprechen nicht darüber, doch ich weiß, dass auch sie in Gedanken die unzählbaren Gefahren durchgeht, von denen jede einzelne ebenso hätte tödlich enden können. Klar, es ist toll, auf dem Floß über den See zu treiben. Aber ich freue mich ganz allgemein und groß an der Tatsache, dass ich am Leben bin.
    Isa blinzelt mich an und flüstert: »Mir fällt gerade was echt Blödes ein … Wir müssen ja wieder zurück!«
    Ich lasse den Kopf auf die Decke sinken. Vielleicht, wenn ich mich jetzt gar nicht mehr bewege, kann ich für immer hierbleiben. »Vielleicht gibt es einen Kanal«, murmle ich dumpf in die Decke. »Wir machen jetzt die Augen zu und in einer Stunde landet das Floß am Spreeufer am Hauptbahnhof.«
    Â»Das ist doch blöd!«, murmelt Isa zurück. »Warum fährt es dann nicht bis zu den Treptowers? Von dort wären wir in fünf Minuten zu Hause.«
    Das Schicksal meint es gut mit uns. Auf dem Rückweg bleibt uns die wilde Fahrt erspart. Vorerst sieht es sogar so aus, als bliebe uns jede weitere Fahrt erspart. Denn das Schicksal lässt sich unsere Erlösung von dem neuen Höllenritt teuer bezahlen. Als wir am Parkplatz ankommen, ist das Cabrio weg. Es steht nicht auf einem anderen Parkplatz, es steht nicht hinter dem Häuschen, es ist verschwunden. Spurlos. Auch die Hütte ist abgeschlossen, keiner mehr da. Wir sind ratlos und schwanken zwischen totaler Verzweiflung (Wie kommen wir hier weg? Und – viel schlimmer: Was wird Marcus dazu sagen, dass wir sein Cabrio verloren haben?) und einer unerklärlichen Albernheit. (Der Vorschlag, mit dem Floß nach Berlin zu fahren, wird noch mehrfach wiederholt und erweitert und auch beim dritten Mal noch belacht.)
    Erst als es dunkel geworden ist, wird uns langsam bewusst, dass das Auto nicht wiederkommt. Und wir zwar das Versprechen an den Bootsvermieter brechen und das Floß nicht vertäuen, sondern behalten könnten – dass wir damit aber nicht nach Berlin kommen werden. Auch zu Fuß stehen die Chancen schlecht, vor Sonntagmittag zu Hause zu sein. Geknickt sitzen wir mit unseren Decken auf dem Parkplatz … bis Jenny ihr Handy zückt und seufzt: »Dann muss es eben sein.« Na klar, sie hat doch eine Million Freunde. Da wird ja wohl einer hier rausfahren und uns holen können.
    Als ich das sage, zieht Jenny die Augenbrauen hoch. »Es ist Samstagabend und fast zehn. Wer ist denn jetzt noch nüchtern?« Isa und ich zählen das wenige Bargeld aus unseren Taschen und rätseln, ob uns wohl ein Taxifahrer auf Vertrauensbasis heim zu unseren Geldbörsen fahren würde. Jetzt hat Jenny jemanden am Telefon und erzählt, dass wir festsitzen. Dann streckt sie sich auf der Decke aus. »Tom kommt gleich. Er fährt sofort los.«
    Die Sache mit Tom ist wirklich mitleiderregend. Eine Stunde nach dem Anruf ist er da – er muss alles stehen und liegen gelassenhaben, um Jenny zu helfen. Natürlich ist es unser Glück, dass er so eine treue Seele ist. Trotzdem tut er mir leid. Alles, was er bekommt, ist die Möglichkeit, seine Exfreundin und deren Freundinnen nachts aus der Pampa abzuholen, wo sie mit dem Auto ihres neuen Freundes gestrandet sind. Aber Tom ist schrecklich nett. Er hilft sogar der kleinen Isa, die dabei vor Verlegenheit puterrot wird, ins Auto und legt unserem frierenden Mäuschen eine Decke um. Dann lädt er unsere Sachen ein, fährt uns nach Berlin, kutschiert uns zur Polizeiwache und organisiert die Diebstahlanzeige. Er bringt Jenny sogar dazu, Marcus anzurufen, ihm alles zu beichten und ihn ebenfalls auf die Wache zu bestellen. Als Isa und ich auf dem Revier

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