Mit dem Teufel im Bunde
wohlauf sei? Solche Dinge. Dann kam sie zum Anlass dieser seltsamen Begegnung.
«Die feine Madam wollte, ich solle ihr von Zeit zu Zeit berichten, an welchen Aufträgen Ihr arbeitet, um welche Ihr Euch bewerbt und was für Honorare und Kosten Ihr veranschlagt. Auch ob Ihr neue Verfahren in der Mechanik und für das Bauen allgemein entwickelt und welcher Art. Ich sollte ihr Kundschafter werden, ihr Spion. Und während der ganzen Zeit hat sie ihre Hand auf meinem Arm gehalten und gelächelt, als trage sie mir an, ihr künftig Gedichte vorzulesen. Sie war nicht redlich, Meister. Sie war kein guter Mensch.»
Seine Stimme war immer heftiger geworden, die letzten Worte klangen nach dem Zischen eines in die Falle gegangenen Reptils.
Sonnin erhob sich und stieß die Fensterflügel auf. Er brauchte frische Luft und wollte Thanning nicht erkennen lassen, wie tief ihn Sibyllas Vertrauensbruch traf. Obwohl es ihn nicht überraschte. Sie hatte sich beleidigt gefühlt und ihm dafür schaden wollen. So waren die Frauen, erst recht die einflussreichen. Der junge Protegé, den sie nach ihrem Zerwürfnis für alle Bauten unermüdlich angepriesen hatte, hatte offenbar zu wenig eigene Ideen und Fertigkeiten.
«Das war in der Tat unredlich, mein Freund. Bei Licht besehen, oder bei dieser guten frischen Oktoberluft, jedochnichts Neues. Wenn du selbst Meister bist, wirst du schnell merken, wie gewöhnlich es ist, auch wenn es niemand zugibt. Alle sind so fromm und ehrbar. Und spähen doch gerne Konkurrenten aus. Was hat sie dir dafür geboten? Sie wird kaum an deine christliche Nächstenliebe appelliert haben.»
Thanning zuckte die Achseln. «Natürlich habe ich mich gleich geweigert und nicht gefragt.»
«Und sie hat so schnell aufgegeben? Das war gegen ihre Art.»
Thanning ließ seine Finger über das obere Brett des Regals neben der Tür gleiten, wischte den Staub flüchtig an seinem Rock ab und schob ein über die Kante stehendes Buch zurück. «Das mag sein, aber so war es.»
Sonnin lehnte sich gegen das Fensterbrett und verschränkte die Arme vor der Brust. Vielleicht war Sibylla doch weniger hartnäckig gewesen, als er gedacht hatte. Und womöglich nicht so frei von Skrupeln, wie es jetzt schien. Und vielleicht war die ehrbare Kauffrau mehr krumme Wege gegangen, als alle dachten.
«Gut, Thanning, wenn das alles war, wollen wir es vorerst für uns behalten. Falls es sich als wichtig erweist, können wir es dem Weddemeister immer noch erzählen. Der wird nach jedem Strohhalm greifen, aber Sibyllas Angebot macht dich nicht zum Verdächtigen, besonders, da du es abgelehnt hast. Dann schon eher mich, was ebenso absurd ist. Hoffentlich bereust du deine Weigerung später nicht», versuchte er seinen immer noch angespannten Schüler aufzuheitern. «Womöglich wollte sie dir als Lohn eine Meisterstelle verschaffen.»
Thannings Lächeln sah nicht froh aus.
Als Sonnin wieder allein war, versuchte er erneut, sich mit der Leistung des Kupferrohrs für den Katharinenturmzu beschäftigen. Doch ständig drängte sich der Klang von Thannings Stimme in seine Gedanken, das zornige Gesicht. Thanning war redlich, er kannte die Arbeitswelt, er hatte bei seiner Gesellenwanderung durch viele Gegenden viel erlebt, ein solches Angebot mochte ihn erzürnen, aber so aus der Fassung bringen? Noch nach fast zwei Jahren? Er war auch kein Choleriker, sondern ein friedlicher Mensch, der nur hin und wieder zur Heftigkeit neigte. Wie viele andere auch.
Je mehr Sonnin es bedachte, umso weniger konnte er glauben, dass Sibylla versäumt hatte, den jungen Mann mit einem konkreten Lohn zu locken. Sie musste gewusst haben, wie gering sein Einkommen war. Wenn er es noch gründlicher bedachte, fiel ihm auf, dass Matthias Krone, der von Sibylla geförderte junge Zimmermeister – nein, das wollte er nicht weiterdenken. Wenn Thanning versicherte, er habe ihr Angebot ausgeschlagen, gab es keinen Grund, daran zu zweifeln. Sonnin mochte den Jungen, er war talentiert und fleißig, und er hatte ihn gern um sich. Er konnte ihm nur weiter vertrauen. Sonst musste er ihn fortschicken.
Er schloss energisch das Fenster, griff nach seinem Rock und verließ seine Baustube. Für heute war genug Zeit mit überflüssiger Rechnerei vertan. Und mit Gegrübel. Er entschied sich für einen Besuch im
Bremer Schlüssel
. Dies war kein Tag für Buttermilch, dies war ein Tag für einen Krug schweren Roten aus Frankreich. Und für ein Schlückchen Branntwein. Unbedingt.
***
Madam
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