Mit dir in meinem Herzen: Roman (German Edition)
gewesen. Wie James übrigens auch. Aber jedes Mal, wenn sie den Telefonhörer in der Hand gehalten hatte, hatte sie irgendeine Ausrede gefunden, um doch nicht anzurufen.
Nicht jetzt, ich sollte fürs Studium arbeiten.
Vielleicht später, wenn ich vom Fitnessstudio nach Hause komme.
Und in dem Moment, da sie auf Log-out klickte und sich vom Computer abwandte, redete sie sich dieses Vorhaben erneut aus.
Ein paarmal hatte der eine oder andere von Andys guten Schulfreunden von sich aus versucht, Kontakt mit ihr aufzunehmen. Auf Facebook hatte sie eine Nachricht von Coombes mit dem Betreff: »Wollte nur wissen, wie’s dir geht« entdeckt, diese jedoch entgegen allen guten Vorsätzen nie geöffnet. Außerdem war da noch die schüchterne, unbeholfen formulierte Nachricht von Aaron Shanks auf ihrem Anrufbeantworter gewesen … Auch diese hatte sie unbeantwortet gelassen. Sie wusste einfach nicht, wie sie reagieren sollte. Andy war eindeutig ihre Verbindung zu den Jungs gewesen. Wie sollte sie sich nach seinem Tod ihnen gegenüber verhalten? Sein Bruder James allerdings hatte weder anzurufen versucht noch eine Nachricht geschickt. Sie musste daher annehmen, dass er ihr gegenüber dieselbe Haltung einnahm wie seine Mutter.
Und je länger sie all diese Kontaktversuche ignorierte, desto schwieriger wurde ein Neuanfang.
*
»Hi, Babe.«
»Hast du dich gut amüsiert?«
»Kann man so sagen. Es tut mir wirklich leid wegen heute Abend. Hab mich wie ein Wichser benommen. Wie ein Arschloch. So viel ist mir klar geworden.«
»Woher der Sinneswandel?«
»Überraschung – Shanks ist schuld. Habe ihn im Pub getroffen. Er hat mir die Augen geöffnet. Ich war wirklich völlig gaga. Der Typ hat definitiv seine hellen Augenblicke.«
»Verstehe.«
»Hm … ich will mich ja nicht beschweren, aber du nimmst das ungewohnt gelassen hin. Bist du nicht wütend auf mich? Ich meine, nicht nur weil ich überreagiert habe, sondern wegen meiner Bierfahne – die du bekanntermaßen hasst.«
»Ja, komisch. Ich war sauer. Supersauer sogar. Du hättest heute Küchendienst gehabt. Aber dann hab ich nachgedacht und versucht, die Sache von deiner Warte aus zu sehen, und na ja … Habe mir eine Auszeit genommen. Und ein paar Gläser Wein haben dabei nicht gerade geschadet.«
»Du bist immer wieder für eine Überraschung gut. Ach, fast hätte ich’s vergessen. Ich hab dir Blumen mitgebracht. Stehen in der Küche. Schon im Wasser.«
»Lass mich raten! Rosen?«
»Richtig.«
»Ach herrje, Babe! Wann lernst du’s endlich? Lilien sind meine Lieblingsblumen. Trotzdem danke. Und um deine Frage von vorhin zu beantworten: Nein, ich habe ganz sicher keine Schwäche für deinen Bruder. Ich habe eine Schwäche für dich!«
*
»Also, wie hältst du dich so die Tage?«, erkundigte sich Stacey, als sich die beiden Freundinnen in einem Café in Nord-Sydney ganz in der Nähe von Staceys Arbeitsplatz zum Kaffeetrinken trafen.
»Wie ich mich halte? Was soll das heißen? Oh, du meinst die Studienarbeiten? Mein Stundenplan ist ziemlich voll, aber ich kriege das hin.«
»Das habe ich eigentlich nicht gemeint. Ich meinte, wie du zurechtkommst … ohne Andy?«
Stacey hatte Andrew früher nie Andy genannt, sich hartnäckig geweigert, seinen Kurznamen zu benutzen, auch wenn es ihm anders lieber gewesen wäre. Der liebevolleTon ihrer Stimme drohte Belinda jedoch unwillkürlich redselig werden zu lassen. Ihre Freundin war normalerweise eher distanziert und sachlich, nahm nie ein Blatt vor den Mund. Dann tauchte wieder einmal die blasse Linie des Schwangerschaftstests vor ihrem geistigen Auge auf, und sie klappte das Visier schnell herunter, verdrängte die Gedanken daran.
»Ach, das meinst du. Ich muss immer daran denken, dass du nicht viel von unserer Beziehung gehalten hast. Vielleicht musste es also so kommen. Kismet!« Belinda hob lässig ihre Cappuccinotasse an die Lippen. Als ihr das Kaffeearoma in die Nase stieg, zuckte sie automatisch angeekelt zurück. Sie stellte die Tasse unwillkürlich so heftig auf die Untertasse zurück, dass der Schaum über den Rand schwappte.
Staceys Augen wurden schmal. »Wann willst du es uns endlich sagen?«
»Was sagen?« Belindas Verwirrung war nicht gespielt.
»Ich bin deine beste Freundin. Und wenn ich ehrlich sein soll, finde ich es unmöglich, dass du’s mir noch nicht gesagt hast.« Der liebevolle Ton von vorhin war Vergangenheit. Stacey agierte wie immer: direkt und ohne Rücksicht auf Verluste. »Ich bin nicht
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