Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)
unten genanntes Bankkonto zu überweisen. Ansonsten sehe ich mich gezwungen, ein womöglich teures Gerichtsverfahren einzuleiten.
Mit freundlichen Grüßen. Ihr Bürger.«
Ich lege auch die drei Grafiken bei, um mein Anliegen zu verdeutlichen.
Zwei Monate später habe ich noch immer nichts gehört, auch auf meinem Konto ist noch keine Zahlung eingegangen. Ich rufe wieder bei Ismayr an.
»Ich könnte Ihnen schon helfen, aber ich werde Ihnen alles in Rechnung stellen, damit Sie die Sinnlosigkeit erkennen. Wir können abmahnen, das wird nichts bringen. Dann gehen wir vor Gericht – und werden höchstwahrscheinlich verlieren aufgrund des schon erwähnten Argumentationsspielraums. Natürlich ist Ihre Wut begründet, natürlich ist Ihre Forderung legitim – nur das wird Ihnen nicht weiterhelfen. Am Ende werden Sie noch mehr bezahlen. Und da ich ein guter Anwalt bin, rate ich Ihnen, einfach damit aufzuhören.«
So schnell geht das – und ich bin mehr denn je davon überzeugt, dass die größten Gauner hierzulande nicht Anwälte sind oder Versicherungsunternehmen, sondern dass dies der Staat ist.
Natürlich waren meine Aussichten auf Erfolg gering, doch ich bin schon einigermaßen enttäuscht darüber, überhaupt keine Antwort zu bekommen. Es gibt keinen, der schreibt: »Lieber Herr Schmieder, das ist ja nett, dass Sie sich mal melden. Und einen schönen Antrag haben Sie da. Verstehen wir, das ist wirklich blöd, dass Sie diese Kilometer fahren mussten. Aber sehen Sie, die andere Straße gilt als verkehrsberuhigte Zone – und wenn da jeden Tag 1250 Autos durchfahren (haben wir gemessen), dann ist das für die Bewohner unerträglich. Deshalb: Lieber ein kleines Opfer von allen statt ein großes Opfer einiger weniger. Wir hoffen, Sie haben dafür Verständnis. Ihre Straßenmeisterei.«
Wäre prima gewesen, hätte ich verstanden.
So aber denke ich: Es interessiert euch nicht mehr, als würde in China ein Sack Reis umfallen. Wobei: Wenn in China ein Sack Reis umfiele, dann würdet ihr eine Reis-Kommission einrichten, ein Expertenteam hinschicken und ein Hilfspaket schnüren, damit das mit den umfallenden Säcken nicht mehr passiert. Dann würdet ihr anregen, dass in China die EU -Norm für Reissäcke eingeführt wird – an der dicksten Stelle maximal 60 Zentimeter Durchmesser, gefüllt mit Reiskörnern, die höchstens einen Zentimeter lang sind und bis auf eine Braunfläche von einem Quadratmillimeter immer weiß sein müssen. Dazu durch eine Schnur versackt und nicht verbeutelt und durch die Mittelung der Schnur im Gleichgewicht bleibend.
Ich bin für euch nur wichtig, wenn ich etwas bezahlen muss.
Aber ich bin ja auch kein Abmahn-Profi.
Kapitel 12
»Versicherer sind die größten Schweine!«
Finn steht da und sieht aus wie eine Miniaturversion von John McEnroe: verschwitzte Haare, nach vorn geschobener Unterkiefer, aufeinandergepresste Lippen. »Das war ein Punkt«, brüllt er und unterstützt sein Anliegen, indem er zuerst mit dem rechten Fuß gegen das Stuhlbein kickt und dann den Schläger gegen die Couch pfeffert. Ich bin der Meinung, dass er keinen Punkt gemacht hat und der Ballwechsel wiederholt werden muss. Ich werfe den Schläger auf den Boden und fordere den Videobeweis.
In unserem Wohnzimmer werden gerade die ersten Berg-am-Laim-Open ausgetragen, im Finale begegnen sich das Nachwuchstalent Finnegan James Schmieder und der im Wohnzimmertennis ungeschlagene Altmeister Jürgen Schmieder. Die Regeln: Wer es schafft, einen Gegenstand von einem Möbelstück hinter dem Gegner wegzubefördern, der bekommt einen Punkt. Fensterbrett zählt doppelt, Esstisch dreifach. Die Diskussion um den Punkt dreht sich um einen Kerzenständer, den Finn mit einem unglaublichen Rückhand-Topspin nur umgestoßen hat. Dennoch Punkt, behauptet Finn.
Wir klären die Sache bei einer Partie Tisch-Eishockey. Finn gewinnt.
Sollten Sie zu den Menschen gehören, denen die Götter nicht nur einen fantastischen Buchgeschmack, sondern auch Kinder geschenkt haben, dann wissen Sie, wovon ich gerade schreibe. Kinder wollen spielen – was für die Sauberkeit und Sicherheit in der Wohnung in etwa so verheerend ist wie ein Wasserrohrbruch, ein Sandsturm oder eine Aschewolke.
Wissen für Nichtjuristen
Es gibt keinen Tatbestand namens
»Grober Unfug«. Im Gesetz über
Ordnungswidrigkeiten werden
diese Aktionen mit »Belästigung
der Allgemeinheit« bezeichnet,
womit auch klar ist: Nicht jeder
Unfug ist gleich eine
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