MITTERNACHTSFLUT (German Edition)
schlecht!“ John grinste sein verschmitztes Lächeln, das den Blick auf seine leicht lädierten Zähne freigab. Marie mochte John wirklich, aber jetzt konnte sie gerade nicht auf seine Späße eingehen. Sie hätte gerne eine sinnvolle Einleitung angebracht, doch dazu war sie gerade viel zu ungeduldig.
„John, kennst du den Mann, der dort oben in der großen Höhle lebt? Der Blonde mit den langen lockigen Haaren?“ John sah sie verständnislos an. „Wer? Hier gibt es nur einen Blonden und das bin ich.“ Marie zuckte unsicher mit den Schultern. „Nein du Nase, doch nicht du! Der da oben, es ist die große Höhle, ich war gestern am Abend dort drin.“ „Marie, hier leben nur Andy und ich. Etwas weiter oben in Richtung Dorf haust Marcel „Le Francais“ aber der ist schwarzhaarig und außer uns dreien gibt es hier niemanden, das wüsste ich. Schließlich lebe ich in diesem Luxusetablissement seit vier Jahren.“
„Das ist aber unmöglich. Warte, nein Unsinn, komm mit. Ich zeige dir jetzt sofort die Höhle. Das ist doch alles nicht wahr.“ Marie raffte ärgerlich ihre Sachen zusammen und stapfte entschlossen los. John folgte ihr sicherheitshalber, mit verwirrtem Blick, in einigem Abstand. Er befürchtete schon, sie sei letzte Nacht gestürzt und habe sich den Kopf angeschlagen oder etwas in der Art. Er selbst war sich sicher, die letzte Nacht, bis auf einen Scheißkater, ohne Blessuren und Blackout überstanden zu haben. Aber wovon zum Geier redete sie denn da bloß? Marie folgte dem kleinen Steinpfad von dem sie sich sicher war, dass er zu Miguelangels Höhle führte und wunderte sich schon beim Aufstieg. Der Pfad erschien ihr heute schmaler und ausgetretener als letzte Nacht. Mehrmals glitt sie auf dem schmalen Weg fast aus und als sie oben angekommen war, zweifelte sie endgültig und sehr ernsthaft an ihrem Verstand.
Der Eingang der Höhle, der letzte Nacht groß und einladend war, war jetzt mit Gestrüpp überwuchert und die Steine waren verwittert und bröselig.
Nur eine schmale Spalte im Fels war zu sehen und selbst davor glänzte im Licht der morgendlichen Sonne ein so großes Spinnennetz, dass es unmöglich gänzlich neu sein konnte. „Gibt es hier noch eine andere große Höhle? Eine schöne, gepflegte, in der jemand lebt?“ Marie sah John fast schon hilfesuchend an, doch der schüttelte nur bedauernd den Kopf. „Nein Marie, das hier unten sind die uralten Höhlen der Guanchen. Die hier oben und die kleinere weiter hinten, sind seit Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten verlassen. Ich war da mal drin. Nur Staub, Geröll und herunter gebrochene Steine. Interessant war nur, dass vor unendlicher Zeit offensichtlich jemand eine Art Regale in den Stein gehauen hatte, das konnte man noch recht gut erkennen. Aber sonst. Nein, hier ist seit Langem kein Leben mehr möglich. Es tut mir wirklich leid Marie.“ Marie starrte John so entsetzt an als ob sie einen Geist gesehen hätte.
„Marie, geht es dir gut?“ John war jetzt ehrlich besorgt.
„Ja, doch mir geht es gut. Ich muss mich wohl getäuscht haben. Wahrscheinlich war ich nach dem Schwimmen so erschöpft, dass ich eingeschlafen bin und wild geträumt habe. Ich sollte so spät und bei Flut einfach nicht mehr schwimmen.“
„Das wird es sein! Ist ja nicht so, dass ich dir schon zig Mal gesagt habe, dass du zu wenig Respekt vor den Gezeiten hast. Bis dir mal was Ernsthaftes passiert!“ John nickte zustimmend und schien deutlich erleichtert, über die logische Erklärung. Marie verabschiedete sich rasch und lief, so schnell sie konnte, die Tasche mit der kostbaren Decke fest an sich gedrückt, durch die Schlucht zurück ins noch vollkommen ruhige Dorf. Als sie an ihrem Häuschen ankam, erspähte sie jedoch durch die dichten Bougainvillearanken Manolo, wie er seine geliebten Blumen goss. Ohne zu zögern stürzte sie durch das kleine Tor und lief auf ihn zu. Manolo wandte sich erstaunt um und sah ihr fragend entgegen. Marie stellte wortlos ihre Tasche auf den kleinen Marmortisch und zog die Decke heraus. Sie ging langsam auf Manolo zu und hielt sie ihm fragend entgegen . „Manolo, bitte sag mir, was ist das?“ Manolo stellte seine Kanne beiseite und nahm die Decke fast ehrfürchtig in die Hände. Er ließ sie leicht und sanft durch seine Finger gleiten, streichelte nachdenklich den seidigen Stoff. Geradezu andächtig breitete er die Decke aus und legte sie sich über die Arme. Lange kam kein Ton über seine Lippen. Dann wandte er sich langsam zu
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