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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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Ministerialdirigent verließ, um es anderswo friedlicher und freundlicher zu haben, konnte er sich Henschkes Drängen nach einem Aufgabenwechsel nicht länger entziehen.
    Für Henschke Ersatz zu finden, erwies sich als schwierig. Specht wollte sich nicht sofort entscheiden. Schließlich wurden zwei Assessoren eingestellt, die vom ersten Tag an gegeneinander Krieg führten. Erst nach einem Jahr war ihr Machtkampf entschieden – Mendel, der Geschmeidigere, hatte im Wettlauf um die Gunst des Meisters obsiegt. Der betrachtete, bis es soweit war, das Duell seiner Assistenten mit der Kühle eines Buchmachers auf der Rennbahn. Den weniger Anpassungsfähigen, der ihm auch persönlich in die Quere gekommen war, als er mit Spechts Tennistrainerin auf eigene Faust ein Match austrug (er spielte wesentlich besser als Specht), schickte er kurzerhand in ein anderes Ministerium. Statt seiner stieg eine Sekretärin zur zweiten Persönlichen Referentin auf.
    Annerose Seyfried, die treue, aber seit Breisingers Sturz mit Bitternis erfüllte Seele, erhielt ein eigenes Zimmer und durfte sich, Spechts Privatkorrespondenz betreuend, fortan Sachbearbeiterin nennen. Ins Vorzimmer rückten jüngere Kräfte ein.
    Bernhard Gundelach schaffte Anfang 1984 den Sprung zum ›einfachen‹ Ministerialrat, eine Position, mit der er unter normalen Umständen hochzufrieden gewesen wäre. Schließlich beginnt das Menschsein im Ministerium, einem alten, müden Beamtenspott gemäß, erst ab dieser Rangstufe. Doch im Blick auf den Beförderungsgalopp, den andere hinlegten, hielt sich seine Freude in Grenzen.
    Er konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, für seinen, wie er fand, überdurchschnittlichen Einsatz nur durchschnittlich entlohnt worden zu sein – eine Einschätzung, in der ihn, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, Heike und Tom Wiener bestärkten. Wiener hielt es seit langem für einen Skandal, wie formalistisch der Ministerpräsident das persönliche Fortkommen seiner engsten Mitarbeiter behandelte. Sich selbst nahm er dabei nicht aus.
    Wenn ich mir überlege, raunzte er mißmutig, daß der Drautz mit seinem ewigen: Grüß Gott! und: Großartig, Herr Ministerpräsident! ein paar Tausender mehr verdient als wir, wird mir ganz schlecht!
    Warten Sie ab, bis Sie Staatssekretär sind, erwiderte Gundelach. Dann wird sich das zumindest bei Ihnen ändern.
    Ja, sagte Wiener, aber ich weiß jetzt schon, daß es dem Oskar wie Spitzgras ist, mich dazu zu machen. Und wenn er sich am Ende doch überwindet, werd ich’s jeden Tag büßen müssen.
    Manchmal entwickelte Tom Wiener fast hellseherische Fähigkeiten.
    Am meisten störte Gundelach, daß auch Gustav Kalterer, der konspirative Experte des Schlosses, mit lautloser Regelmäßigkeit die Treppe hinauffiel. Doch inzwischen hatte er begriffen, daß Kalterer auf seinem Gebiet, dem der verdeckten Ermittlung, für Specht absolut unverzichtbar war.
    Es stand nämlich nicht zum Besten um die CDU. Wie vor einem Gewitter zogen graue, bleierne Wolken auf, in denen die Ausläufer der Bonner Parteispendenaffäre ins Land hineinleuchteten.
    Bosch, Daimler Benz und andere Firmen hatten jahrelang beträchtliche Summen an sogenannte Berufsverbände gezahlt und sie als Betriebsausgaben von der Steuer abgesetzt. Die Verbände wiederum leiteten einen erklecklichen Teil ihrer Einnahmen an diverse Wirtschaftsvereinigungen weiter, die damit hohe Geldzuwendungen an die großen Parteien finanzierten. So konnte, gleichsam kaskadenförmig, jede Organisation mehr steuersparende Spenden an die Politik abführen, als es sonst nach den Gesetzen möglich gewesen wäre. Etliche der involvierten Standes- und Wirtschaftsvereinigungen hatten ihren Sitz im Land. Und die personelle Verquickung zwischen Managern, die dem einen, und Parteifunktionären, die dem anderen Gremium geschäftsführend vorstanden, war innig. Die meisten gehörten der CDU an, und dorthin floß das Gros der Gelder.
    Zunächst führte die Bonner Staatsanwaltschaft die Ermittlungen. Bald aber gab sie eine Reihe von Verfahren an die Staatsanwaltschaft der Landeshauptstadt ab. Geschäftsräume der Konzernzentralen wurden durchsucht, Unterlagen beschlagnahmt, klangvolle Namen der Industrie galten fortan als Beschuldigte.
    Das hatte nun noch einmal eine andere Qualität als die ärgerlichen finanzgerichtlichen Besteuerungsverfahren, in denen nur geprüft wurde, ob die Verbände zu Unrecht das Steuerprivileg der Gemeinnützigkeit in Anspruch genommen hatten. Jetzt stand

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