Monrepos oder die Kaelte der Macht
der strafrechtliche Vorwurf der Steuerhinterziehung durch Repräsentanten einer Wirtschaftselite im Raum, die aufgrund ihrer Funktion im öffentlichen Leben wußte oder wissen mußte, wohin die angeblichen Betriebsausgaben letztlich transferiert wurden.
Und es kam noch schlimmer. Auch die CDU-Landesgeschäftsstelle wurde staatsanwaltschaftlich gefilzt. Der ehemalige Schatzmeister der Partei, ein Zigarrenfabrikant, sah sich der Anschuldigung ausgesetzt, als Mitverantwortlicher des ›Zweiten Weges‹ der Parteienfinanzierung bewußt zur Steuerhinterziehung beigetragen zu haben. Schließlich hatte er nicht nur die Spenden entgegengenommen, sondern als stellvertretender Geschäftsführer einer ›Gesellschaft für Wirtschaftsförderung‹ auch dafür gesorgt, daß sie ihr vorbestimmtes Ziel fanden.
Die Frage lag nahe (und sie wurde von den Medien, wenn auch noch vorsichtig, gestellt), was denn die hohen Herren des Präsidiums der Landes-CDU über diese Form der Kassenaufbesserung gewußt haben mochten. Ein Schatzmeister ist kein schweigsamer Trappistenmönch, auch wenn er nicht alle seine Quellen auszuplaudern braucht. Und doch: In jedem Dorfverein hält der Kassenwart den Vorstand auf dem laufenden.
Da die Vorgänge weit in die siebziger Jahre zurückreichten, richteten sich die Fragen in erster Linie an Rudolf Breisinger, den damaligen Landesvorsitzenden. Aber Breisinger war politisch uninteressant geworden. Seinem wirtschaftsfernen Naturell entsprechend, hatte er sich vielleicht wirklich nicht um die schnöden Dinge des Geldeintreibens gekümmert.
Oskar Specht hingegen, 1977 ins Präsidium gewählt und als Fraktionsvorsitzender zuvor schon gelegentlich zu dessen Sitzungen hinzugezogen, sollte gleichfalls nichts gewußt haben – obwohl Steuern und Finanzen erklärtermaßen zu seinen Leib- und Magenthemen zählten?
Opposition und Presse meldeten Zweifel an.
Specht bestand darauf, unwissend gewesen zu sein, und es war ihm nicht zu widerlegen. Er konnte auch darauf verweisen, nach Breisingers Sturz den Zigarren-Schatzmeister in die Wüste geschickt und die Finanzierung der Partei auf eine neue Grundlage gestellt zu haben. Damit war er persönlich fürs erste aus dem Schneider. Aber er mußte sich, um nicht den Anschein eigener Verstrickung zu erwecken, mit Äußerungen zugunsten der geplagten Wirtschaftsklientel noch mehr zurückhalten als ohnehin. Das erhitzte den Grimm einiger Spender zur rachedurstigen Glut. Sie fühlten sich als betrogene Opfer einer staatstragenden Gesinnung, von der die obersten Repräsentanten des Staates plötzlich nichts mehr wissen wollten. Und schlossen daraus, daß mit Politikern solcher Statur kein Staat zu machen sei.
Zu der Zeit, da Bernhard Gundelach erstmals von diesen Dubiositäten hörte und las, war vieles noch unklar und verwirrend. Entsprechend kompliziert gestaltete sich die Suche nach Gegenstrategien.
Am meisten beschäftigte das Kabinett die Unbotmäßigkeit der Staatsanwälte. Was eigentlich nahmen sie sich heraus? Waren sie nicht weisungsgebunden? Konnte Justizminister Dr. Olbrich dem ganzen Spuk nicht mit einem Federstrich ein Ende bereiten?
Specht meinte, er könnte, rein rechtlich gesehen. Ob es politisch klug wäre, stehe auf einem anderen Blatt. Aber man dürfe sich nicht von vornherein in die passive Rolle eines Lamms auf dem Weg zur Schlachtbank drängen lassen.
Die anderen sahen es genauso.
Dr. Olbrich rang die Hände und sagte: Leut, so einfach, wie ihr euch das vorstellt, isch es nun mal nit!
Sein Ministerium besitze gegenüber der Staatsanwaltschaft kein umfassendes Weisungsrecht. Keinem Staatsanwalt sei vorzuschreiben, wie das Ergebnis seiner Ermittlungen auszusehen habe. Und ebensowenig liege es in der Macht des Ministeriums, darüber zu entscheiden, ob ein Verfahren eingestellt werden solle oder nicht. Aber natürlich, setzte er beschwichtigend hinzu, lasse er sich laufend berichten, und alle Beteiligten hätten ihm versichert, mit großer Sensibilität an die Dinge heranzugehen.
Nun, das war nicht eben viel. Es trug nicht dazu bei, die Stimmung der Ministerrunde zu bessern.
Müller-Prellwitz polterte, ihn wundere das alles gar nicht. Die achtundsechziger Generation sitze jetzt bei der Justiz an jenen Schaltstellen, die sie seit ihrer Apo-Zeit anvisiert hätte. Konservative Politiker und erfolgreiche Unternehmer, die Säulen des Systems, würden planmäßig kriminalisiert. Alle würden noch ihr blaues Wunder erleben.
Specht beharrte darauf, daß es
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