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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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für die CDU gewinnen. Von der SPD sind sie restlos enttäuscht. Die ist für Künstler überhaupt keine Adresse mehr und gilt bloß noch als lahmer Bürokratenverein. Und deshalb haben wir eine unglaubliche Chance, da reinzukommen, wir müssen uns nur drum kümmern.
    Kunstminister Professor Angel sog an seiner Pfeife und verstand, daß hiermit auch die Schauspielerei und das Ballett zur Chefsache erhoben waren.
    Er täuschte sich nicht. Specht versteigerte Primaballerinenschuhe zu gutem Zwecke, warb für Restaurierungsarbeiten am ehrwürdigen Theaterhaus – unverdächtige – Spenden ein und betrieb die Berufung der ersten Tänzerin zur Ballettdirektorin, als ob es sich um eine Staatsaktion handelte.
    In gewissem Sinn war sie es auch.
    Denn als der Ministerpräsident gewahrte, wie sehr die Kunst nach Brot geht, begriff er, wie immer blitzschnell, den persönlichen, politischen und philosophischen Nutzen eines mäzenatischen Staatsverständnisses. Mit vergleichsweise geringem Aufwand ließ sich das Image des Landes und seines Lenkers ins Zeitenthobene steigern. Ein Abglanz von Unvergänglichkeit besonnte die schnell verbleichende Tagespolitik und ihren Schöpfer, ohne daß irgend jemand hätte wagen dürfen, daran Kritik zu üben.
    Zunächst stützte er sich noch auf die Erfahrungen und Ratschläge des Ministeriums, dem Professor Angel sinnend und paffend vorstand – ein untrügliches Zeichen, daß er sich in der Materie fremd und unsicher fühlte. Der Leiter der dortigen Kunstabteilung war ein gelernter Schauspieler und Jurist, der in der Kunstszene hohes Ansehen genoß. Behutsam und diskret wie ein Privatlehrer führte er Specht ins verzwickte Musengeschäft ein. Doch kaum hatte sein Schüler, ähnlich wie bei dem Feldzug durch die wissenschaftlichen Hochburgen, die ersten eigenständigen Vorstöße ins kunstbetriebliche Milieu unternommen und festgestellt, daß der landesväterliche Bonus auch hier Wunder wirkte, stand ihm der Sinn nach mehr. Nun suchte er einen Gefährten, der seinen Hang, das Normale, Handwerkliche glitzern und gleißen zu machen, teilte.
    In Wolfgang Bönnheim, einem gelernten Musiklehrer, der es zum Hochschulrektor und Festspielleiter gebracht hatte, fand er ihn. Bönnheim war ehrgeizig, kontaktfreudig und sowenig wie Specht von puristischen Zweifeln geplagt, wenn es um die Abgrenzung seines Fachs zu anderen Lebensbereichen ging. Er liebte das Spiel mit der Macht und vermaß die kulturelle terra incognita mit derselben fantasievollen Unbekümmertheit wie ein mittelalterlicher Kartograph Westindien.
    Spechts Entdecker- und Beuteinstinkt lag blank, wenn Bönnheim ihm die ungeahnten Möglichkeiten einer strategischen Allianz zwischen Politik und Kunst schilderte: Kultur, die verkannte Schwester von Politik und technologischem Fortschritt. Wieder einmal bot sich die Chance, dem Rest der Republik die Hacken zu zeigen.
    Als der Vertrag des seitherigen Generalintendanten der hauptstädtischen Staatstheater auslief, bestimmte Specht folgerichtig seinen Freund Bönnheim zum Nachfolger.
    Gundelach paßte sich der aktuellen Strömung wie immer an und baute vermehrt kulturphilosophische Betrachtungen in Spechts Festreden ein. Das entsprach zwar seinen eigenen Neigungen, machte aber auch neue, umfängliche Studien erforderlich.
    Monatelang las er, was ihm unter die Finger kam. Er las Klassisches und Modernes, Philosophisches und Anthropologisches, Sozialwissenschaftliches und Kulturtheoretisches, Politologisches und Physikalisches, Historisches und Futuristisches. Las Carl Friedrich von Weizsäcker und Fritjof Capra, Martin Heidegger und Hans Jonas, Kurt Sontheimer und Erich Fromm, Karl Popper und Immanuel Kant, Hilmar Hoffmann und Hermann Lübbe, Karl Dietrich Bracher und Klaus Haefner, Karl Marx und Oswald Nell-Breuning. Zeitweise hatte er das Gefühl, daß es seinen Schädel zu sprengen drohte; und in Augenblicken tiefer Verzweiflung haderte er mit seinem Schicksal, nichts zu wissen, während andere, durch Drucklegung ausgewiesen, fertige Konzepte vorzuweisen hatten.
    Allmählich aber formten sich in seinem Kopf, unscharf noch, Ideen, die ihm, auf die Gesellschaft übertragen, originell und nachdenkenswert zu sein schienen.
    Er machte sich Notizen darüber und schwieg.
    Anfang 1984 teilte Professor Wrangel dem Ministerpräsidenten mit, daß der Fakultätsrat der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften einstimmig und ohne Enthaltung beschlossen habe, ihm die Würde eines Doktors der

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