Monrepos oder die Kaelte der Macht
dachte er resigniert. Selbst wenn man ihm politisch Gutes tut, muß er umgehend beweisen, daß er zu noch Besserem fähig ist. Nur dann stimmt das Koordinatensystem seines Ichs. Wo Specht steht, ist immer oben. Jetzt hat er es ja sogar schwarz auf weiß, mit wissenschaftlichem Passepartout.
Übrigens, wir müssen uns dringend in Ruhe unterhalten. Planen Sie mal für die nächsten Wochenenden, wenn’s geht, nichts ein. Ade!
Gundelach hob die Hand und wandte sich ab, bevor die Autoeskorte anfuhr. Es würde ihm schwerfallen, dem glückseligen Wrangel in die Augen zu blicken. Aber, dachte er, das bin ich ihm schuldig, verdammt noch mal.
Zirkus hin oder her – es dauerte keine zwei Wochen, bis der neue Titel Briefbögen und Visitenkarten des Dr. h.c. Oskar Specht zierte.
Gärten des Menschlichen
Das Hotel, darin waren sich die einschlägigen Gourmetführer einig, gehörte zum Besten, was deutsche Gastronomie zu bieten vermag. Im hügeligen Gelände, welches der Main mit gemächlichen Schleifen durchzog, gemahnten die ausgreifenden Grünflächen und Tennisplätze zwar auf den ersten Blick an die Anlage eines Tennisclubs. Doch wer im Innern des schmucklosen Haupthauses dem französischen Restaurant einen Besuch abstattete, merkte schnell, daß er es hier mit einer Art bewußt verschwiegener Behaglichkeit zu tun hatte. Unterm Dach, in den mit geblümten Vorhängen und honigfarbenem Zirbelkieferholz heimelig ausgestatteten Zimmern, setzte sich dieser Eindruck fort.
Das, hatte Oskar Specht gesagt, ist der richtige Ort, um übers Buch zu sprechen. Ruhe, gutes Essen, erstklassige Weine, und die Tennissachen nicht vergessen.
Vor Tisch plauderte er mit dem Hotelbesitzer über erlesene Gaumenfreuden. Große italienische Weine, bemerkte der bärtige, etwas scheue Mann, können es mit jedem Franzosen aufnehmen. Es ist ein Hobby von mir, jedes Jahr nach Italien zu fahren und Spitzenjahrgänge aufzuspüren. Solange ich denken kann, liebe ich dieses Land und entdecke es immer wieder neu.
Specht war in Gönnerlaune. Ja, sagte er, die Italiener verwenden jetzt mehr Zeit darauf, ihre Weine sorgfältig auszubauen.
Gundelach wußte, was das hieß: An meinen geliebten Bordeaux, den Augäpfeln meines Kellers, lasse ich trotzdem nicht rühren. Dabei, dachte er, hat der Herr Schmitt zu seinen Weinen gewiß ein anderes Verhältnis als der Herr Specht. Er fährt hin, sucht sie auf, sieht, riecht und schmeckt, wo und wie sie wachsen. Er nimmt die Landschaft in sich auf, spricht mit ihren Menschen, lebt unter ihnen und verinnerlicht ihre Kultur. Das hat etwas entschieden Künstlerisches. Specht dagegen, denke ich mal, kauft das Produkt oder bekommt es geschenkt – und vor allem achtet er aufs Etikett.
Kein Zweifel: Gundelach fühlte sich stark. Es ging ums Schreiben, das war seine Domäne. Künstler müssen zusammenhalten.
Ich würde gern einen italienischen Rotwein probieren, den Sie uns empfehlen, sagte er zu Herrn Schmitt gewandt.
Einverstanden, bestätigte Specht. Wenn wir aber ein fünfgängiges Menu nehmen, werden wir dauernd von Kellnern gestört. Am besten, wir bestellen Steak vom Angus-Rind und gratinierte Kartoffeln.
Der Hausherr empfahl einen klassischen Toskaner dazu.
Also, sagte Specht, fangen wir an. Ich meine, es ist jetzt an der Zeit, all das, was wir in den letzten Jahren getan haben, und vor allem das, was die Bundesregierung machen müßte und nicht macht, in einen Zusammenhang zu bringen und den Leuten als Gesamtpolitik zu beschreiben, gewissermaßen als Vision und praktische Politik in einem. Also zum Beispiel der Hickhack um die Steuerpolitik. Statt zu sagen, wir gehen jetzt an eine grundlegende Strukturreform mit einkommensbezogenen Familienkomponenten, mit einer Entlastung des Mittelstands und der neuen technologischen Dienstleistungen, die wir dringend brauchen, und warum soll man nicht den jungen Existenzgründer und denjenigen, der ihm mit hohem Risiko Geld gibt, steuerlich besser stellen wie den Konzern, der aus seinen Zinserträgen mehr Gewinn abschöpft wie aus seinem Produktivkapital, und warum soll man nicht darüber nachdenken dürfen, ob es heute noch gerecht ist, den hochrationalisierten Betrieb, der ganz andere Maschinenlaufzeiten und eine viel größere Produktivität hat, der aber denselben Steuersätzen und Abschreibungsmöglichkeiten unterliegt wie der kleine Handwerker, der die Hauptlast von Ausbildung und Beschäftigung trägt, warum soll man da nicht differenzieren dürfen, ohne daß die
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