Monrepos oder die Kaelte der Macht
daß er mit ihr zusammenstieß.
Auch das werden Sie noch lernen, sagte sie. Sie sind doch lernbegierig, oder? Selbst bei uns besteht die Welt nicht nur aus Akten und Ministerialräten.
Der Wald öffnete sich. Sie konnten nebeneinander gehen. Birken und vereinzelte Lärchen lösten die dunklen Kiefern ab. Der Park leuchtete in hellstem Grün. Hohes Gras umspielte die Knie.
Dann war es Gundelach, der überrascht stehen blieb. Hinter einer Gruppe weißschimmernder Birken erhob sich ein zierlicher Tempel. Die schlanken Säulen waren nicht breiter als die Stämme ringsum, und auch die Farbe des Steins, gelblichweiß mit einer feinen, bräunlichen Äderung, schien der umgebenden Natur angepaßt. Die Kapitelle entfalteten sich wie Blätter; ihre gebogenen Spitzen zeigten trotz leichter Verwitterung zart gemeißelte Rispen. Sie hatten kein Dach zu tragen, nur einen einfachen Kranz, der nach einer Seite hin offenstand.
Direkt gegenüber lag der Teich.
Eine steinerne Bank verband das Halbrund der Säulen. Dort konnte man, aufs Wasser schauend, von Arkadien oder anderem träumen; das, offenbar, war der Sinn der Anlage.
Wir nennen ihn den Liebestempel! sagte Fräulein Blank unbefangen. Wer hier angetroffen wird, kommt ins Gerede.
Haben Sie mich deswegen hergeführt? Damit wir ins Gerede kommen?
Sie setzte sich auf die Bank und zog die Beine an.
Ach, bei Ihnen läßt sich das schwer vorstellen. Sie sind so furchtbar brav und fleißig. Da reicht die Fantasie kaum aus, um in Ihnen etwas anderes als einen Beamten zu sehen.
Jetzt streckte sie die Beine auf der Bank aus und badete das Gesicht in der Sonne.
Wissen Sie, wie man Sie nennt? Das Primusle. So heißen Sie. Wie finden Sie das?
Sie lachte glucksend, die Augen geschlossen.
Ziemlich doof! Soll ich vielleicht den ganzen Tag auf der faulen Haut liegen oder mit Sekretärinnen flirten?
Und schon ist er beleidigt! rief sie vergnügt. Aber Sie müssen doch zugeben, daß Sie sich wie ein Maulwurf in Ihrem Zimmer vergraben und den lieben langen Tag von nichts anderem als von Politik reden. Sogar Ihren Einstand haben Sie versäumt, obwohl wir den Tag dafür extra festgelegt hatten. Aber nichts war’s – der Herr hatte wie üblich zu arbeiten.
Der Einstand! Gundelach hatte ihn vollkommen vergessen. Am Tag nach der Kreisbereisung wäre er fällig gewesen, Niemand hatte ihn daran erinnert. Das kränkte ihn fast mehr als der Spitzname, von dem er jetzt erfuhr. Ich hab’s einfach verschwitzt, sagte er kleinlaut. Es geschah ohne Absicht. Meinen Sie, das läßt sich noch nachholen?
Heike Blank blinzelte ihn belustigt und mitleidig an.
Sicher läßt sich das nachholen, sagte sie. Man soll die Hoffnung nie aufgeben. Immerhin gehen Sie ja schon mit mir im Park spazieren, wo Sie doch längst wieder am Schreibtisch sitzen und Lobeshymnen auf Breisinger dichten sollten.
Am liebsten hätte er sie an den Schultern gepackt und durchgeschüttelt. Aber er traute sich nicht. Hier, in dieser üppig überwucherten, fast lasziv anmutenden Abgeschiedenheit hatte er nichts zu melden.
So setzte er sich endlich neben sie und fragte mißmutig:
Warum nur spotten Sie immer über mich?
Heike Blank ließ sich mit der Antwort Zeit. Die Sonne schien ihr wichtiger. Doch als Gundelach gerade die Frage voll Schärfe wiederholen wollte, schwang sie plötzlich mit den Beinen herüber, blickte ihn kurz und prüfend an, nahm sein verdutztes Gesicht in die Hände und sagte eindringlich: Warum? Wahrscheinlich, weil ich der einzige Mensch hier bin, der Sie ernst nimmt!
Dann gab sie ihm einen Kuß auf die Nasenspitze, einen gerade eben so hingehauchten, versetzte ihm einen Stoß gegen die Brust und lief davon. Ehe sie ins Dickicht des Waldes eintauchte, drehte sie sich noch einmal um, winkte, lachte und verschwand.
Was war ihm geschehen? Bernhard Gundelach schüttelte ungläubig den Kopf. Befühlte die Nasenspitze. Starrte auf den leeren Platz an seiner Seite.
Endlich stand er auf, ging zum Teich und tat so, als begutachtete er die Seerosen, den Hahnenfuß, die Entengrütze und das unmerklich zitternde Schilfgras.
In Wahrheit sah er von alldem nichts.
Auch die Frösche hielten ihn für harmlos und schwammen weiter ihre trägen Kreise.
Das Fest
Gewöhnlich wurde der Raum von denen genutzt, die den Pressespiegel erstellten. Man brauchte Platz, um Zeitungen auszubreiten, Artikel auszuschneiden und sie auf Kopierpapier zu kleben. Nebenher wurde auf einer klapprigen Schreibmaschine die rundfunkpolitische
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