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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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Finanzminister?
    Der dreht fast durch, weil er sich vorgeführt und blamiert fühlt. Vor allem aber wirft er der Staatskanzlei vor, daß sie den Coup hätte verhindern müssen. Schließlich sind wir für die Koordination von Regierung und Fraktion zuständig. Müller-Prellwitz, um genau zu sein.
    Ach so, raunte Gundelach. Darum betrachtet er das als persönliche Niederlage.
    Sie merken auch alles, Sie Schlauberger, kicherte Schieborn.
    Es war vorüber. Die Tische übersät mit Weinlachen und Bierpfützen, auf dem Boden zerknüllte Servietten und Scherben umgeworfener Gläser. In der Ecke ein zerborstener Stuhl. Pelzige Nachtfalter taumelten im Schein der letzten heruntergebrannten Kerzenstümpfe.
    Gundelach hatte mehrere Taxen bestellt. Sie waren durchs untere Tor gekommen, mit suchenden Lichtkegeln die Serpentine heraufgefahren und auf halbem Weg von den wartenden, vor Müdigkeit fröstelnden Gästen angehalten worden. Als erstes hatte man Dr. Weis verfrachtet und dem Fahrer die Adresse seiner Wohnung zugerufen. Der Fahrer wollte das Geld sofort. Gundelach gab es ihm. Dann kamen Müller-Prellwitz und Bertsch an die Reihe. Die Ernüchterung im kühlen Nachtwind sorgte dafür, daß der Sinn für Ordnung und Hierarchie schnell zurückkehrte.
    Nur Betram brummte: Frauen, Besoffene und höhere Beamte zuerst in die Rettungsboote … Aber er tat es leise und erwartete keine Antwort.
    Müller-Prellwitz hatte sich wieder beruhigt. Freundlich dankte er Gundelach für die Einladung und klopfte ihm zum Abschied auf die Schulter.
    Zur Feier Ihrer nächsten Beförderung komme ich wieder! sagte er.
    Gundelach bedankte sich; aber es gelang ihm nicht, Müller-Prellwitz ohne Scheu anzusehen. In der Erinnerung stieß der Kopf des ›kleinen MP‹ wie ein Habicht auf seine Beute herunter. Der hätte Specht, wenn er gekonnt hätte, zerhackt.
    Günter Bertsch verabschiedete sich förmlich. Mit distanziertem Händedruck sagte er: Also, bis morgen. Gundelach wußte, was das heißen sollte. Laß es dir nicht einfallen, irgendwelche falschen Schlüsse aus meiner lockeren Stimmung heute nacht zu ziehen! Morgen ist oben wieder oben und unten ist unten.
    Er nahm sich vor, seinem Abteilungsleiter in den nächsten Tagen aus dem Wege zu gehen.
    Die Autoscheinwerfer erfaßten Schloß Monrepos. Die großen grauen Quader des Sockels wurden in fahle Helligkeit getaucht. Als sich die Fahrzeuge in Bewegung setzten, um oben vor dem Portal zu wenden, glitten ihre Lichtstrahlen wie gespreizte Finger einer Riesenhand übers Mauerwerk. Gitterartig traten die Fugen hervor. Die Fenster waren schwarz und tot. Monrepos glich einer verlassenen Festung.
    Nachdem alle Gäste versorgt waren, kehrte Gundelach zur Baracke zurück. Er wollte aufräumen, wenigstens notdürftig; es sollte kein Gerede beim Hausdienst geben. Doch schob er diesen Grund nur vor. In Wahrheit hatte ihm Monrepos, wie es koloßhaft und bar jeden Lebens dalag, Angst gemacht. Eine ungeheure Fremdheit ging von dem Steingebirge aus, auf dem die wandernden Lichtpunkte wie Rufsignale auf der Suche nach Lebenszeichen herumgeirrt und ohne Antwort geblieben waren. Gundelach fühlte sich schlimmer ausgeschlossen als bei seinem ersten Rundgang mit Andreas Kurz.
    Vielleicht lag es auch an den Erzählungen, die er gehört hatte. So sehr man über sie lachen konnte – sie zeigten doch, daß im Schloß nur etwas galt, wer eine mit Breisinger verknüpfte Biographie besaß. Gundelach hatte keine. Er würde noch für lange Zeit nicht dazugehören. Darum war es besser, sich wenigstens der Baracke zu vergewissern. Auf ihr lag die Kälte der Macht nicht.
    Er stolperte über eine Wurzel, spürte taufeuchtes Gras an den Händen und dachte: Vielleicht bin ich auch nur betrunken.
    Die Baracke leuchtete ihm entgegen. Als er eintrat, hörte er klappernde Geräusche. Heike Blank stand in der Damentoilette und spülte Geschirr.
    Aber – das geht doch nicht! sagte er. Das ist meine Aufgabe.
    Lassen Sie sich’s nicht einfallen, hier reinzukommen, antwortete sie ohne aufzuschauen. Wenn Sie helfen wollen, dann holen Sie sich einen Lappen und wischen die Tische sauber. Auch die Scherben können Sie zusammenfegen und die Stühle in die Zimmer zurücktragen. Es gibt genug zu tun.
    Sie arbeiteten fast eine Stunde lang. Ihre Unterhaltung erfolgte über den Flur hinweg, unterbrochen vom Lärm, den Gundelachs Aufräumaktion verursachte. Das sparrige Holz der Baracke schrummte und brummte wie ein klobiger Resonanzkörper. Einmal kam

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