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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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würde.
    Müller-Prellwitz und Bertsch, die alten Füchse, wußten es längst. In Karl Büscher hatten sie ihren begabtesten Wadenbeißer gefunden. Gundelach dagegen betrauerte eine Weile trotzig den sinkenden Kurswert des politischen Floretts, das er glaubte, in seinen Leserbriefen trefflich geführt zu haben. Es war nicht länger gefragt. In den Reden, die man Breisinger jetzt vorlegte, triumphierte der Holzschnitt über die fein linierte Zeichnung. Details bleichten aus wie die Gobelins an den Wänden.
    Eine Stimmung, die er als antikulturell empfand, breitete sich aus. Breisingers ohnehin nicht großes Ansehen bei den Intellektuellen im Land sank auf den Nullpunkt. Doch wurde das nicht nur in Kauf genommen, sondern geradezu als Bestätigung empfunden. Schriftsteller, Journalisten und Studenten hatten Breisinger noch nie gewählt und würden es auch künftig nicht tun. Auf die anderen kam es an.
    Folgerichtig zeigte die Staatskanzlei dem renitenten Rundfunkintendanten Bosch so lange die obrigkeitlichen Marterwerkzeuge, bis er weich wurde und den aufmüpfigen Fabian doch noch nach Kapstadt schickte. Und Kultusminister Baltus mußte gegen den geschlossenen Widerstand der Fakultät Professor Mohrbrunner an eine Landesuniversität berufen.
    Die Zeit der Schonung war vorbei.
    Da ging auch der Assessor Gundelach in sich, dachte an seine Zukunft und trat der CDU bei.
    Kurz darauf wurde er in eine Arbeitsgruppe berufen, deren Aufgabe es war, den Wahlkampf vorbereiten zu helfen.
    Doppelstrategie
    Nun waren es schon zwei Kränzchen, an denen er mitzuwirken hatte, und sie konnten gegensätzlicher nicht sein.
    Der ›Arbeitskreis Landesjubiläum‹, war, ganz wie Gundelach es gewollt hatte, Ende Juni von Breisinger persönlich ins Leben gerufen worden, inmitten des stilvollen Ambiente der Bibliothek. Alle, an die auch nur entfernt zu denken war, hatten sie eingeladen: die Heimat-, Musik- und Sportverbände, die Jugendorganisationen, die Wirtschaftsvereinigungen, die Gewerkschaften … Man kann es nachlesen bei der Beschreibung von Gundelachs erstem, beherztem Auftreten vor des Höchsten Thron und sich noch zwanzig Vereinigungen dazu denken, um einen ungefähren Eindruck von der erwartungsvollen Enge zu gewinnen, die in dem holzgetäfelten Raum mit den zierlichen Schildpattfiguren herrschte. Keiner wollte fehlen, wenn der Ministerpräsident rief. Dagegen sein könne man später immer noch.
    Breisinger aber verstand es meisterhaft, einen milden, wie im Faß der Geschichte gereiften Patriotismus zu verbreiten, der selbst den stumm an einem Ecktisch lauernden Beobachtern von SPD, FDP und DGB den Atem verschlug, so daß sie, als der Ministerpräsident nach der grundsätzlichen Zustimmung zu seinem Konzept fragte, wie alle anderen auch den Arm hoben, ihn dann aber rasch, als schämten sie sich, wieder sinken ließen.
    Das Land, wie Breisinger es schilderte, kannte keine Parteien mehr. In stiller Beschaulichkeit wuchs es heran, entfaltete seine Köstlichkeiten in Feld und Flur, zwischen trutzigen Stadtmauern und unter alten Dorflinden, ließ vom Fortschritt gerade soviel an sich heran, daß er den Menschen Wohlbehagen bereitete, und wartete nun darauf, das schönste aller Kleider, das Jubiläumskleid, anlegen zu dürfen. Das aber mochte, Gott bewahre, die Regierung nicht allein entscheiden! Da sollten alle mittun, mithelfen, mitfeiern! Freilich, ein bißchen Geld konnte man schon dazugeben, so daß sich festen ließ, ohne zu prunken, auch eine Geschäftsstelle einrichten, die von einem ganz ungewöhnlich engagierten jungen Mann – Stehen Sie mal auf, Herr Gundelach! – geleitet werden würde. Schon möglich, sagte Breisinger, daß eines Tages aus diesen unscheinbaren Anfängen Größeres erwachsen werde: ein alljährliches Landesfest vielleicht, ausgerichtet von allen Heimatverbänden, Ausstellungen, mit denen für die heimische Wirtschaft geworben, ein Haus der Geschichte gar, in dem der großartige Beitrag aller demokratischen Parteien zum Aufbau des Gemeinwesens dokumentiert werden könnte. Doch sei das Zukunftsmusik und das letzte Wort werde ohnehin das Parlament sprechen. Die Regierung wolle nur werben, nicht überreden, schon gar nicht diktieren …
    Als der Ministerpräsident sich nach zwei Stunden empfahl, dringender Geschäfte wegen, tagten schon die Unterarbeitsgruppen, wurden Sitzungstermine bis in den Dezember hinein festgezurrt, und Gundelach hatte, assistiert von der protokollführenden Heike Blank, die zu duzen er

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