Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
Vom Netzwerk:
sich hier versagte, das Heft fest in der Hand.
    Eine Woche später hielt Breisinger dann in Binslingen die Freiheit-oder-Rede. Sie sorgte für lokalen Wellenschlag, der das Ufer der Landespolitik aber noch nicht erreichte; die Sommerferien nahten und lenkten die Aufmerksamkeit auf buntere Themen. Meppens fand erst nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub einen Bericht der ›Binslinger Kreiszeitung‹ über das Ereignis vor, erbat sich von der Staatskanzlei das Manuskript und schwenkte es in der ersten Parlamentssitzung, die auf die politische Vakanz folgte, anklagend und mit der Wortschöpfung ›Binshofen‹ viel Beifall und Gelächter erntend vor einem Hohen Haus, das ausgeruht und streitlustig den näher rückenden Wahlkampf ins Visier nahm.
    Assessor Gundelach durfte sich derweil in der Kunst üben, beide Seelen, die sich in Breisingers Brust so prächtig vertrugen, die landesväterliche und die ideologische, in seinem schmalen Beamtenthorax nachzuempfinden. Es war eine Seelenwanderung zwischen Neigung und Kalkül, die ihn mehr als einmal ratlos und zerrissen zurückließ. Denn Breisingers Ankündigung, das Jubiläum breit und parteiübergreifend gestalten zu wollen, mußte ja irgendwie in die stramme Unionsregie eingebunden werden, um sich in Wählerstimmen auszuzahlen. Es galt, eine friedliche Koexistenz von Feste feiern und feste Draufhauen zu finden.
    Wie leicht hatte sich das, als sie im Mai in nächtlicher Barackenrunde darüber diskutierten, fordern und begründen lassen, und wie sehr hatte er – mit Scham dachte er daran zurück – den Kollegen Bauer für seine nuschelnde Bedenklichkeit verachtet! Jetzt lastete die Verantwortung auf ihm; und da er sich in sie hineingedrängt hatte, konnte er von niemandem Nachsicht erwarten.
    Es war Andreas Kurz, der ihm aufs neue den Weg wies. Der locker-ironische Schloßführer seines ersten Tages auf Monrepos war gerade zum Oberamtmann befördert und gleich darauf in die Protokollabteilung versetzt worden, wo er neben anderem für die organisatorische Vorbereitung des Jubiläums-Festakts verantwortlich zeichnete. Ob es eine Hinauf- oder Hinausbeförderung aus der Grundsatzabteilung war, in der Kurz jahrelang als Sachbearbeiter tätig gewesen, ließ sich nicht mit Sicherheit sagen. Feststand, daß er für das jetzt von den Mitarbeitern der politischen Abteilungen eingeforderte Feldgeschrei – Müller-Prellwitz bezeichnete es teutonisierend als ›Gerüfte und auf die Schilde Schlagen‹ – nicht der Geeignetste war; er konnte sich zuweilen das Lachen nicht verkneifen.
    Hör zu, erklärte der Oberamtmann dem Assessor beim Mittagessen in der Kantine (seit dem Einstandsfest verkehrten sie auf freundschaftlichem Fuße), du mußt es machen wie der Alte. Hinausgehen zu den Landräten und Bürgermeistern, ihnen Honig ums Maul schmieren und sie ans patriotische Portepee fassen. Du kommst von Monrepos, da nehmen sie innerlich schon Haltung an. Und dich interessiert nur, was die Herrschaften zur Jubelfeier beizutragen gedenken, sonst kümmert dich gar nichts. Von Parteien und Wahlkämpfen hast du so wenig Ahnung wie die Jungfrau vom … du weißt schon.
    Und du glaubst, das nimmt man mir ab? fragte Gundelach zweifelnd.
    Dir schon, entgegnete Andreas Kurz süffisant. Im Ernst: Du mußt endlich lernen, zwischen außen und innen zu unterscheiden. Freilich, wenn du immer nur am Schreibtisch hockst, morgens Bittbriefe an SPD-Bürgermeister pinselst und mittags in der Redengruppe den Sozialistenfresser rausläßt, wirst du verrückt. Ich hab aber unsere Doppelstrategie nicht so verstanden, daß wir selbst dabei gaga werden sollen. Also: nicht du als Person teilst dich auf, sondern du ordnest deine Funktionen so, daß du zwischen ihnen bequem hin- und herpendeln und dich unterwegs notfalls noch umkleiden kannst, wie ein Vertreter, der einen weit verstreuten Kundenkreis zu betreuen hat. Lach nicht, ich meine, was ich sage.
    Am Ende ist es aber doch ein und dieselbe Firma, der ich diene, wandte Gundelach ein. Und diese Firma fordert, in der einen Hand einen Prügel, in der anderen einen Blumenstrauß zu halten und mit beiden Fäusten den Umsatz zu steigern.
    Unsinn! – Kurz versuchte, seiner Stimme einen energischen Klang zu geben, was ihm halb und halb gelang. – Für wen prügelst du? Für die Partei. Für wen richtest du das Jubiläum aus? Fürs Land. Ja, wenn du auf die eigene Propaganda hereinfällst und Land und Partei in eins setzt, dann stimmt dein Vergleich. Bedenklich, daß

Weitere Kostenlose Bücher