Monrepos oder die Kaelte der Macht
Pferd regierten. Eine schöne Hypothek für die eigene Landtagswahl! Auch die unionsregierte Mehrheit im Bundesrat hätte nicht mehr gegen Bonn in Stellung gebracht werden dürfen. Eher wäre im Volk wohl das Unbehagen an zuviel schwarzer Fläche gewachsen und damit die Versuchung, bei den nächsten Wahlen für Auflockerung zu sorgen. Und den Binshofener Schlachtruf hätte man auch einmotten können. Wie gesagt, nicht auszudenken!
Nein, das Schicksal hatte es gut gemeint mit Breisinger, darin waren sich die Strategen einig. Jetzt hieß es die Gunst der Stunde nutzen. Man wollte einen Wahlkampf hinlegen, wie ihn das Land noch nicht erlebt und ein Ergebnis einfahren, wie es die Union noch nicht gesehen hatte – außer in Bayern natürlich. Stellvertretender Bundesvorsitzender seiner Partei war Breisinger schon. Wer sagte, daß es dabei bleiben mußte?
Als erstes wurde ein genauer Zeitplan erstellt. Fixpunkt war der Wahlsonntag. Zwei Wochen zuvor gedachte man der fünfundzwanzigsten Wiederkehr des Tages der Staatsgründung. Festakt, Bundespräsident, Eröffnung der Kunstausstellung. Breisinger als Staatsmann und Lichtgestalt. Die Plakate mußten Stolz und Wir-Gefühl vermitteln: Stolz auf das Land, Identifikation der Bürger mit ihrer Regierung. Einige Heimatfeste konnten noch vor der Wahl stattfinden; bei milder Witterung im Freien, sonst in großen Gemeindehallen. Das Gros würde freilich danach folgen, im Frühjahr und Sommer, aber das verschlug nichts. Schon zum Jahresbeginn würde man Jubiläumsbroschüren an alle Haushalte verschicken, in denen für das Ereignis geworben wurde und der Ministerpräsident selbst, umrahmt von gemütvollen heimatlichen Schilderungen, den partei- und landespolitischen Zusammenhang aufzeigte.
Dann, im Februar, war Faschingszeit. Da wollen die Leute ihre Sorgen weglachen und wegtanzen, und wenn es überhaupt um Politik geht, sind sie am Zug mit Austeilen. Das hat man zu respektieren. Unpolitisch werden die tollen Tage trotzdem nicht sein, die Bundesregierung wird gehörig ihr Fett abbekommen. Karnevalisten sind in der Regel konservative Gesellen, auf die Verlaß ist. Das ist unsere fünfte Kolonne! predigte Müller-Prellwitz. Wir brauchen aber eine genaue Übersicht über die Prunksitzungen und müssen rechtzeitig die Regierungsmitglieder dafür einteilen, sonst rennen sie alle nur dorthin, wo das Fernsehen ist. Und Breisinger macht wieder den närrischen Staatsempfang im Schloß und kriegt vom Protokoll eine bessere Rede als letztes Mal, gereimt und witzig, sonst raucht’s!
Die eigentliche Schlacht war demnach im Januar zu schlagen. Bald nach den Weihnachtsferien mußte die erste Plakatierungswelle anrollen, mit einer Massivität, die Freund und Feind überraschen sollte. Textwände mit einer einzigen Botschaft: Freiheit statt Sozialismus! Die Stimmung aufheizen bis Ende Januar, dann Wahlparteitag, danach Kandidatenplakate, zum Schluß wieder Großflächenbelegung. Breisinger taucht erst auf den Großflächen auf, ein Superbild muß das sein, dynamisch, gewinnend, bürgernah.
Die Regie, sagte Bertsch, lautet also folgendermaßen: Wir mobilisieren frühzeitig unsere Leute, besetzen das zentrale Thema und provozieren Gegenreaktionen, die dann aber schon in die Fastnachtszeit und in die Jubiläumsfeierlichkeiten fallen und damit deplaziert wirken. Klar?
Gundelach wagte einen Einwand. Und wie, fragte er, verhindern wir, daß sich unsere Anhänger zu früh zurücklehnen und die Sache für gelaufen halten?
Gute Frage! antwortete Bertsch, und es war seit langem das erste Lob, das er für den Assessor übrig hatte. Das machen wir mit Anzeigen und Testimonials, die wir im März massiv schalten.
Von Testimonials hatte Gundelach noch nie gehört.
Bertsch klärte ihn auf, damit seien öffentliche Bekenntnisse für Politiker gemeint. Bekannte oder unbekannte, auf jeden Fall angesehene Bürger legten Zeugnis davon ab, daß sie ihre Stimme dem Kandidaten Meier oder Schulze zu geben gedächten, und die Begründung dafür lieferten sie in einem kurzen, prägnanten Satz gleich mit. ›Ich wähle Norbert Schulze und die CDU, weil sie Freiheit statt Sozialismus garantieren!‹ Unterschrift: Werner Herzog, Gartenbauarchitekt. Oder so. Der Vorteil sei, daß man dieselbe Botschaft wie in eigenen Anzeigen vermitteln könne, nur in neutraler Verpackung. Das wirke besonders glaubwürdig, weil sich die Bürger selbst zu Wort meldeten. Und die allgegenwärtige Breisinger-Plakatierung schaffe die
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