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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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notwendige emotionale Bindung, denn gewählt werde zuallererst mit dem Gemüt.
    Bertsch dozierte wie in einem Seminar und Gundelach lauschte andächtig wie ein Schüler. Und wie ein Schüler fragte er wißbegierig-schüchtern, wie denn die vielen aufrechten Bürgerbekenntnisse zustande kämen.
    Das steuern wir zentral von hier aus, sagte Bertsch. Die Kreisverbände legen uns Adressenlisten vor und wir texten passende Sätze dazu. Wie bei den Leserbriefen, nur kürzer und prägnanter.
    So ins Bild gesetzt, begann die Arbeitsgruppe ihr Werk. Holzfällerarbeit war es, mit dem Schnitzmesser ausgeführt. Man tagte im Kleinen Kabinettssaal, zweimal in der Woche, manchmal öfter, am Spätnachmittag beginnend, bis in die Nacht hinein feilend und feilschend. Der Landesgeschäftsführer der Partei war immer, der Generalsekretär manchmal dabei. Nicht im Traum wäre es den Beamten der Grundsatz- und der Presseabteilung eingefallen, in die Bergheimstraße zu fahren, wo sich die Büros der CDU befanden. Die Partei hatte sich nach der Staatskanzlei zu richten, nicht umgekehrt.
    Willi Pörthner, der Geschäftsführer, nahm es zähneknirschend hin. Ihr Sauhunde ruiniert mir noch die ganze Partei! war seine stehende Redewendung. Er war Bayer, stiernackig, cholerisch, aber als ehemaliger Bundeswehr-Spieß ans Gehorchen gewöhnt.
    Die strategische Linie also war vorgegeben. Jetzt mußte sie zu ›operativen Einheiten‹ verfeinert werden. Müller-Prellwitz prägte diesen Begriff, Büscher und Pörthner fühlten sich gleich heimisch darin. Die anderen sahen es ziviler und sprachen lieber vom Netzplan, den es zu erstellen galt. Das Ergebnis war dasselbe: In mühevoller Kleinarbeit wurden die Aufgaben auf Beamte und Parteifunktionäre verteilt und in ein nach Kalenderwochen zählendes Zeitraster eingefügt. Nichts durfte mehr unkoordiniert laufen zwischen Regierung und CDU.
    Zwischen der vierten und der neunten Kalenderwoche des neuen Jahres, beispielsweise, mußten alle Minister vor der Presse Leistungsbilanzen verkünden. Die Staatskanzlei brauchte das Zahlenmaterial aber schon Ende Oktober, um die Ortsverbände der CDU rechtzeitig mit einem Argumentationshandbuch ausstatten zu können. In einem zweiten Schritt mußten die Projekte, die in jedem Landkreis während der letzten vier Jahre gefördert worden waren, aufgelistet werden. Alle CDU-Abgeordnete bekamen dadurch die Möglichkeit, in Wahlversammlungen sowohl die Gesamtbilanz der Landesregierung als auch die Zuwendungen für ihren Wahlkreis als Erfolg parlamentarischer Tätigkeit zu verkaufen. Spätestens in der dritten Kalenderwoche 1977 hatte das Material bei den Parteigliederungen vorzuliegen.
    Mit den Leistungsbilanzen waren Ausblicke auf die Arbeitsschwerpunkte der nächsten vier Jahre zu verbinden. Die Grundsatzabteilung konnte sich dadurch einen ersten Überblick verschaffen, welche Akzente in der Regierungserklärung des alten und neuen Ministerpräsidenten Breisinger zu setzen sein würden. Doch zuvor benötigte Gundelach die Unterlagen, um seinen von Breisinger selbst erteilten Auftrag, für die CDU ein Wahlprogramm zu entwerfen, erfüllen zu können. Als ›Wahlplattform‹ sollte es Mitte Januar vom Landesvorstand der CDU beraten und auf dem anschließenden Parteitag, der die heiße Phase des Wahlkampfs einläutete, formell beschlossen werden.
    Das waren Haupt- und Staatsaktionen, die bei den Zentralstellenleitern der Ministerien in Auftrag gegeben und am Ende auf Monrepos koordiniert, ausgewertet und in Parteideutsch umgeschrieben wurden. Die Staatskanzlei lieferte die Texte, die CDU den Kopfbogen. So hatte es sich bewährt, und anders ließ es sich auch gar nicht denken. Woher hätten die wenigen hauptamtlichen Mitarbeiter der Landes- und Kreisgeschäftsstellen ihr Wissen beziehen sollen, um auf allen Feldern der Landespolitik Diskussionshilfen anbieten zu können?
    Nach dem ›programmatischen Entsaften‹, wie Gundelach das Verfahren nannte, gab es, wie beim Weinkeltern, einen zweiten Preßvorgang, in dem die Maische Tausender Zahlen und Fakten nochmals ausgequetscht wurde. Ein Strom von Musterreden und Artikeln für die periodisch erscheinenden Parteiblätter quoll daraus hervor.
    Die griffigsten Schlagworte und empörenswertesten Zitate des SPD-Herausforderers Meppens aber wurden mit dem, was die Bundesratsabteilung an Spitzenpositionen des Landes im Bundesvergleich zusammengetragen hatte, zu einem süffigen Massengetränk verschnitten, an dem sich jeder

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