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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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Ortsverband, der zu sonntäglichen Frühschoppen einlud, Handzettel in Briefkästen einwarf und Informationsstände auf Marktplätzen aufbaute, berauschen konnte.
    Beliebte und begehrte Traktate waren es, kurz und fündig, und im Unterschied zu den Gesamtdarstellungen, die man eher ins geistige Regal der guten Parteistube stellte, wurden die Faltblättchen und Prospekte auch gelesen. Denn sie enthielten das Rüstzeug für den politischen Nahkampf – zehn gute Gründe, CDU zu wählen, den Nachweis, daß Sozialisten nicht mit Steuergroschen umgehen können, und jede Menge beeindruckender Kennziffern, die das Land zum Primus der Schulklasse Deutschland aufrücken ließen.
    In der Arbeitsgruppe schälte sich schnell heraus, wer für welche Aufgabe am geeignetsten war. Gundelachs Domäne waren die fachübergreifenden Querschnitte, das Zusammentragen und Verknüpfen vieler Details zu einem Großen und Ganzen. Er schrieb es so, daß der Eindruck entstand, alles sei von Anfang an kompakt, schlüssig und fugenlos geplant worden. Insbesondere die CDU-Wahlplattform geriet, wie Breisinger lobte, zu einer ›Wegweisung aus einem Guß‹.
    Dafür, daß ich erst seit wenigen Monaten Parteimitglied bin, ist das doch recht beachtlich, dachte Gundelach.
    Dr. Weis dagegen erwies sich als bewundernswürdiger Meister wortgewaltiger Musterreden, in denen christliches Vokabular und stammtischderber Sprachwitz eine innige symbiotische Verbindung eingingen. Seiner Feder entstammte auch die Präambel zur Wahlplattform, deren Feierlichkeit den großen Rechtsschöpfungen der Menschheit kaum nachstand, wohl auch ein wenig von diesen abgekupfert war. Büscher wiederum – getreu seinem Wahlspruch, daß jeder Satz, der über zwei Zeilen hinausreicht, für den normalen Bürger zu kompliziert ist – verkürzte das argumentative Gespinst auf Schlagzeilenlänge, wobei er dem Ausrufungszeichen das größte Gewicht beimaß.
    Sie waren kein harmonisches, aber ein sich trefflich ergänzendes Team, dessen heterogenes Wirken handwerkliche Achtung vor den jeweiligen Stärken des anderen nicht ausschloß.
    Im November waren sie mit dem Sammeln und Sichten, dem Ausmosten und Eindicken der aus den Ressorts hereingeströmten Informationsflut weitgehend fertig. Mühsame, die Nerven zum Zerreißen anspannende Arbeit war es, der hölzernen Amtssprache nach Menschlichkeit klingende Akzente abzugewinnen. Um Formulierungen wurde gerungen, als gälte es das Leben. Koalitionen bildeten sich, die zwei Sätze später wieder zerbrachen. In manchen Nächten hätten sie einander vergiften mögen.
    Inzwischen saßen auch zwei Herren der Werbeagentur, die Müller-Prellwitz und Bertsch ausgesucht hatten, mit am Tisch. Aus München kamen sie und hatten als Referenz den letzten, grandiosen Wahlsieg der CSU vorzuweisen, an dem sie, was es in aller Bescheidenheit festzuhalten galt, maßgeblich beteiligt gewesen waren. Von der hiesigen Landespolitik verstanden sie nichts, wollten es auch gar nicht; das, erklärten sie, befrachte nur. Aufs Verhauen der ›Sozen‹ und auf Breisinger komme es an, nicht auf irgendwelche Klugscheißereien.
    Willi Pörthner lebte auf bei diesen Worten. Seht ihr, ihr Klugscheißer, sagte er frohlockend, so denkt die Partei!
    Das ist kein Denken mehr, bellte Gundelach zurück, das ist bloß noch lautes Verdauen!
    Weis trank flaschenweise Rotwein und verlor sich in philosophischen Halbsätzen und Anekdoten.
    Trotzdem kamen sie voran. Die Konturen eines harten, gnadenlosen Wahlkampfs wurden sichtbar. Das Drehbuch einer Materialschlacht, die Fakten und Verunglimpfungen, Apotheose und Angstmache wie Trommelfeuer einsetzte, wurde Akt für Akt geschrieben.
    Die ›Sozen‹ würden ihr blaues Wunder erleben. Gleich nach Weihnachten, dem Fest der Liebe.
    Vorher aber erlebten sie es, die Büchsenspanner auf Monrepos.
    Gerade, als sie sich am Ziel wähnten oder doch kurz davor, geschah das Unfaßliche von Wildbad-Kreuth. Die CSU kündigte die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU im Bundestag auf, im Gegenzug drohte die CDU mit der Gründung eines bayrischen Landesverbandes. Die CSU replizierte, indem sie laut über eine bundesweite Ausdehnung nachdachte. Lang aufgestaute tektonische Spannungen entluden sich in grollendem Beben; an der Bruchzone die CDU des Landes.
    Bei Breisinger und seinen Strategen herrschte blankes Entsetzen. Erste Hiobsbotschaften trafen ein: Ortsverbände in ländlichen, erzkonservativen Hochburgen, so hieß es, rüsteten sich geschlossen zum

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