Monrepos oder die Kaelte der Macht
ihrer Armbeuge vergrub, bis sie ihn zu sich herüberzog.
Am nächsten Tag schmückten sie gemeinsam den Christbaum, auf Wunsch des Vaters wie früher, mit viel silbernem Lametta.
Der Versuch, Widerstand zu leisten
Mittwoch, 12. Januar, fiel der Startschuß. Breisinger hielt braungebrannt eine Pressekonferenz, die ausschließlich Parteithemen gewidmet war. Bertsch saß neben ihm.
Die Bibliothek, die man anstelle des sonst üblichen Kabinettssaales gewählt hatte (ein bißchen symbolische Unterscheidung zwischen Staats- und Parteiangelegenheiten sollte schon sein), war gut besetzt. Das Jahr versprach spannend zu werden; die Journalisten trauten dem Frieden in der Union nicht. An runden Tischen sitzend, Kaffee trinkend und rauchend, versuchten sie, Spuren von Nervosität bei Rudolf Breisinger zu entdecken. Der strahlte wie Luis Trenker persönlich und plauderte zunächst von Crans-Montana, wo er mit seiner Familie Skiurlaub gemacht hatte. Nein, erst nach Weihnachten, beschert wurde bei Breisingers immer zu Hause. Nein, von Wildbad-Kreuth erwarte er keine negativen Auswirkungen auf die Landtagswahl, im Gegenteil: noch nie sei die Geschlossenheit der CDU so groß gewesen wie jetzt.
An jedem Journalistentisch hatte ein Mitarbeiter der Presseabteilung Platz genommen, zum Aufpassen und Kaffee-Einschenken. Dr. Zwiesel saß dem Präsidiumstisch am nächsten, Bauer und Schieborn hielten sich im Mittelfeld auf, Gundelach und Bertram versorgten die Ränder. Müller-Prellwitz war wieder einmal zu spät gekommen, mit Büscher im Schlepptau, und mußte deshalb mit dem entferntesten, nur halb besetzten Tisch vorliebnehmen. Gundelach meinte, bei dem Ministerpräsidenten ein Stirnrunzeln zu erkennen, als die beiden, ohne sich sonderlich zu beeilen, durch den Raum marschierten und für kurze Zeit die Blicke auf sich zogen.
Breisinger fuhr schweres Geschütz auf.
Er nannte Meppens den ›Apostel der Gleichmacherei‹ und einen ›in der Wolle gefärbten Sozialisten‹. Meppens habe sich von keiner der abstrusen Ideen distanziert, die in seiner Partei herumgeisterten. Auch sei von ihm nichts zu hören, wenn Polizisten als Repressionsorgane beschimpft oder in einigen SPD-regierten Ländern Lehrplanänderungen vorgenommen würden, die eindeutig marxistische Tendenzen aufwiesen. Der linke Flügel der SPD, zu dessen wichtigsten Exponenten Meppens zähle, rede einem bevormundenden, freiheitsfeindlichen Kollektivismus das Wort. Leistung und Selbstverantwortung würden planmäßig untergraben.
Deshalb bleibt es bei der zentralen Aussage der CDU: Freiheit statt Sozialismus! rief Breisinger. Das ist keine Verunglimpfung, sondern die Beschreibung der fundamentalen Alternativen, um die es geht. Am Wochenende wird der Landesvorstand ein Wahlprogramm verabschieden, in dem die unterschiedlichen Positionen mit aller Klarheit aufgezeigt werden. Und der Parteitag in drei Wochen wird zu einer großen Demonstration der Einigkeit und des Kampfeswillens unserer Partei werden. Wir haben das bessere Konzept, wir haben das Vertrauen der Menschen, wir können Leistungen vorweisen, und deshalb werden wir am 3. April siegen!
Gundelach konnte nicht umhin, von der harten, präzisen Art, mit der Breisinger seine Losungen vortrug, beeindruckt zu sein. Und er täuschte sich nicht: auch die Journalisten zeigten Wirkung. Schrieben, den Kaffee erkalten lassend, konzentriert mit und stellten eher anpasserische als aufsässige Fragen. Zum Schluß wollten sie wissen, welches Wahlziel sich Breisinger persönlich gesteckt habe.
Mein Ziel ist immer, es noch besser zu machen als beim letzten Mal, antwortete er und legte das Gesicht in tausend Falten.
Nach der Pressekonferenz strebte Gundelach nicht sofort der Baracke zu, sondern folgte in gemessenem Abstand dem Ministerpräsidenten, der sich mit Bensch und Müller-Prellwitz zur Manöverkritik in die Amtsräume zurückzog. Im Obergeschoß angekommen, bog der Assessor nach links und klopfte an der Tür des Persönlichen Referenten Johannes Gärtner.
Ohne Aufforderung trat er ein. Mittlerweile konnte er sich das leisten. Gärtner telefonierte und bedeutete dem Besucher, sich irgendwo hinzusetzen. Gundelach wehrte stumm ab und blieb stehen.
Wie es schien, unterhielt sich der Leiter des Persönlichen Büros mit einem Rechtsanwalt.
Nein, gelesen haben wir es nirgendwo, sagte er. Aber es gibt zuverlässige Zeugenaussagen … Ja, ich hab die Adressen, es sind CDU-Mitglieder. Ich schicke sie Ihnen, natürlich. Und Sie
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