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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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übersenden mir bitte eine Kopie Ihres Schriftsatzes, am besten direkt zu meinen Händen … Ja, werd ich ausrichten, vielen Dank.
    Er legte auf, murmelte: Moment noch! und betätigte die Rufanlage fürs Vorzimmer. Fräulein Merkel erschien, eine knochige Blondine, die apfelkauend nach dem Grund der Störung fragte.
    Hier, schick diese Adressen an Rechtsanwalt Dr. Furtwängler, sagte Gärtner und reichte ihr einen Zettel. Der oberste Name ist die Gegenpartei, die anderen sind Zeugen. Schreib das zur Sicherheit in Klammern dahinter.
    Mach’s selber, entgegnete Fräulein Merkel und warf den Apfelbutzen mit Schwung in den Papierkorb unter Gärtners Schreibtisch. Dann ging sie wortlos und ließ die Tür offen.
    Eine Laune hat die wieder! seufzte der Persönliche Referent. Da er auf seinem Stuhl sitzenblieb, fühlte sich Gundelach verpflichtet, die Tür zu schließen.
    Danke! rief Fräulein Merkel von draußen.
    Wieder so ein Spinner, sagte Gärtner und räkelte sich.
    Wer? fragte Gundelach irritiert.
    Na der – wie heißt er – Huber, Walter Huber. Hat in einer öffentlichen Versammlung behauptet, der Chef wär ein Nazi gewesen. Jetzt kriegt er dafür eins auf die Nuß.
    Wie kommt er denn darauf, um Gottes willen?
    Weiß ich nicht. Passiert aber gar nicht so selten. Breisinger war doch gegen Ende des Krieges Richter bei der Marine. Hundsnormale Geschichte. Aber manchen genügt es, um ihm ans Bein zu pinkeln.
    Und was macht der MP dagegen?
    Er macht gar nichts. Was soll er sich jedes Mal aufregen? Ich beauftrage in solchen Fällen unseren Rechtsanwalt, einen Brief zu schreiben und mit Strafverfahren und Schadensersatzforderungen zu drohen. Das genügt meistens.
    Und Breisinger weiß davon nichts?
    Beim ersten Mal haben wir es durchgesprochen und die Linie festgelegt. Wenn’s geht, keine Strafanzeige, sondern Abmahnung durch den Anwalt. Ist ja auch ein Witz, ausgerechnet dem Alten, der dem Kreisauer Kreis nahestand, eine braune Vergangenheit nachzusagen!
    Dem Kreisauer Kreis? Gundelachs Stimme belegte sich mit Ehrfurcht. Das ist das erste, was ich höre!
    Naja, jedenfalls einer Widerstandsgruppe. Ist ja auch egal, welche. Dichter und Theologiestudenten waren dabei, das Ganze arg katholisch. ‘tschuldigung, wenn Sie zu dem Verein gehören, nehm ich’s sofort zurück. Was wollen Sie eigentlich?
    Gundelach hatte Mühe, in die Gegenwart zurückzufinden. Ein junger, aufopfernd gegen die Greueltaten der Nazis kämpfender Breisinger beschäftigte seine Fantasie.
    Das war doch sicher gefährlich für ihn? Ich meine, als Gegner Hitlers riskierte man doch Kopf und Kragen?!
    Und ob, sagte Gärtner, und ob! Es klang gönnerhaft und ein wenig ungeduldig.
    Das Telefon klingelte. Bis zu sich herüber hörte Gundelach den Marschbefehl, den Annerose Seyfried in die Muschel bellte:
    Zum Chef! Sofort!
    Gärtner klaubte Akten zusammen.
    Wenn Sie was wollen vom Alten, sagen Sie’s schnell! Schon war er auf dem Flur.
    Einen kurzen Termin bei Breisinger bräuchte ich, rief Gundelach. Wenn’s geht, noch heute.
    Ein pfeifendes Geräusch, als schnappe einer in höchster Bedrängnis nach Luft, war die Antwort.
    Gundelach entschloß sich, auf Gärtners Rückkehr zu warten. Er trat ans Fenster und sah hinaus in den Park, der von Nässe und altem Laub aufgeweicht war. Zwischen den Zweigen bleigrauer Buchen glänzte das Dach der Baracke. Die Platanen standen nackt und bizarr um den moosigen Rand des leeren Bassins. Die ovale Brüstung der Terrasse vor dem Erdgeschoß ragte wie ein ins Korsett gezwängter Walkürenbusen über das abschüssige Gelände.
    Von hier oben besaß man einen guten Überblick. Aber den kleinen, narzisstisch in sein Tümpelbild versunkenen Tempel sah man nicht. Eine Wand dunkler Fichten stand davor.
    Er preßte die Stirn gegen die Scheibe. Wieder und wieder hatte er sich in Gedanken zurechtgelegt, was er Breisinger sagen wollte. Die Doppelbelastung Landesjubiläum und Parteiarbeit überfordere ihn, wollte er sagen. Er hätte auch nicht das Gefühl, für Propagandasprüche sehr geeignet zu sein. Darin wäre Büscher ungleich besser. Ob er wirklich ›Propagandasprüche‹ sagen würde, dessen war er sich noch nicht so sicher. Ein wenig hart klang es schon. ›Wahlkampftexte‹ genügte im Zweifel ja auch. Aber in der Sache wollte er Klartext reden. Das Land, dessen Jubiläum er organisierte, bedeute ihm mehr als die Partei. Das mußte rüberkommen, denn dagegen konnte Breisinger eigentlich nichts einwenden. Und aus dieser

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