Monrepos oder die Kaelte der Macht
positiven Darstellung ließ sich die grundsätzliche Skepsis gegen den Kanonendonner, den sie veranstalteten, immer noch ablesen. Breisinger würde begreifen, daß sich ein Gundelach nicht einfach zum politischen Blechtrommler degradieren ließ. Das genügte.
So hatte er es sich zurechtgelegt. Es war zwar nicht die große Widerstandsaktion, derer er sich, sollte er eines Nachts je seinen schemenhaften Freunden aus freieren Tagen wiederbegegnen, lauthals rühmen durfte – aber doch, bedachte man das Gefälle zwischen einem Ministerpräsidenten und einem Assessor, eine ganze Menge. Genug, um beim Blick in den Spiegel die Augen nicht senken und beim Zähneputzen den schalen Geschmack der Wehrlosigkeit nicht wegspülen zu müssen.
Nun aber die ganz und gar unerwartete Entdeckung: Breisinger selbst war ein Mann des Widerstands gewesen! In einer Zeit, da jeder, der sich darauf einließ, mit dem Leben spielte! Das relativierte sein eigenes Vorhaben zur Banalität. Es war eigentlich gar nichts Besonderes mehr an dem, sich einer Aufgabe zu entziehen, um die man gebeten, die einem nicht einmal befohlen war. Na gut, würde Breisinger sagen, wenn Sie meinen … Und sich vielleicht an seine Jugend erinnern, in der Neinsagen ein existentielles Wagnis gewesen war. Wie einfach hatten es die Jungen, demgegenüber, heutzutage …
Gundelach wandte sich vom Fenster ab. Er wollte zurück ins Barackenzimmer und sich die Sache noch einmal reiflich überlegen.
Vor der Tür stieß er mit Gärtner zusammen.
Nicht so hastig, Mensch, sagte Gärtner. Sie sind vielleicht ein Glückspilz! Marschieren Sie gleich rein zum Alten. Er will Sie sowieso sehen.
Gundelach antwortete nicht. Verlegen stand er auf dem Flur, starrte auf den roten Läufer und ließ die Arme hängen.
Na los, sagte Gärtner. Mann, sind Sie ein Langweiler!
Gehorsam trottete der Assessor am Schreibtisch von Frau Seyfried vorbei, erwiderte mechanisch ihr herablassendes Kopfnicken, klopfte und betrat, ohne aufzublicken, das Amtszimmer des Ministerpräsidenten.
Breisinger begrüßte ihn lebhaft und liebenswürdig. Er stand auf, kam auf ihn zu und bot ihm einen der Sessel am Besuchertisch an. Er selbst setzte sich auf das Sofa und schlug die langen Beine übereinander.
Das trifft sich gut, sagte er. Gärtner berichtete mir, daß Sie etwas auf dem Herzen haben. Ich wollte Sie ohnedies rufen lassen.
Es ist so … Ich dachte eigentlich, daß Herr Bertsch und Herr Müller-Prellwitz noch bei Ihnen wären … Ich will auch nicht stören, es hat keine Eile –.
Die Herren sind vor wenigen Minuten gegangen. Eine Spur Verwunderung schwang in Breisinger Stimme mit. Meine Pressekonferenz ist doch ganz gut gelaufen, nicht?
Ja, sehr gut, bestätigte Gundelach und schwieg.
Breisinger räusperte sich.
Also, ich habe zwei Anliegen, sagte er schließlich. Ein dienstliches und ein mehr privates. Sie sollten am Samstag, wenn es Ihre Zeit erlaubt, an der Sitzung des Landesvorstands teilnehmen. Wir werden ja dort, wie Sie wissen, die Wahlplattform beraten. Da der Text mehr oder weniger aus Ihrer Feder stammt – und, wie mir auch von anderer Seite bestätigt wurde, sehr gut, kompakt und griffig ist –, also, da ist es am sinnvollsten, Sie hören sich die Diskussion selbst an und arbeiten die Änderungswünsche anschließend gleich ein. Es wird so viel nicht sein. Geht das?
Selbstverständlich, Herr Ministerpräsident.
Wieder trat eine Pause ein. Gundelach betrachtete angestrengt seine Hände. Die Knöchel der ineinander verschlungenen Finger bildeten weiße Höcker.
Die zweite Sache ist, wie gesagt, privater Natur. Sie könnten mir einen großen Gefallen tun, aber ich füge gleich hinzu: Sie müssen es nicht. Ich bin Ihnen keineswegs böse, wenn Sie ablehnen. – Kennen Sie meine Tochter Irmgard?
Gundelach schüttelte überrascht den Kopf.
Irmgard studiert Politische Wissenschaften, und es bereitet ihr viel Freude. Jetzt allerdings sitzt sie an ihrer Magisterarbeit, und das Thema macht ihr zu schaffen. Es geht um den Einfluß der Medien auf die politische Willensbildung – zweifellos ein hochinteressantes Gebiet, zu dem einem auf Anhieb eine Menge einfällt. Aber für ein junges Ding ohne politische Erfahrung ist es eben doch nicht so einfach zu bewältigen. Irmgard meint nun, durch einen Einblick in die Praxis einer Pressestelle könnte sie wertvolle Anregungen gewinnen –.
Breisinger schaute auf den Assessor, als erwarte e r auch von ihm Zustimmung. Gundelach deutete ein Nicken
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