Monrepos oder die Kaelte der Macht
an.
Sie können sich schon denken, lieber Herr Gundelach, worauf ich hinaus will, fuhr der Ministerpräsident fort. Es wäre ganz großartig von Ihnen, wenn Sie meiner Tochter ein bißchen zur Seite stehen würden. Sie sind nur wenig älter als Irmgard, gehören gewissermaßen zur selben Generation, und sehen die Dinge noch unbefangener und vielleicht auch differenzierter als wir Älteren. Ich beobachte das mit Sympathie, denn es wäre ja schlimm, wenn die Jugend keine eigenen, neuen Ideen hätte. Auch für die Partei wäre das schlimm!
Gundelach kam es vor, als zwinge sein Schweigen den Ministerpräsidenten zum Weiterreden; es war ihm peinlich. Darum nickte er, diesmal energisch, von neuem und sagte:
Ich helfe Ihrer Tochter, wo ich kann, Herr Ministerpräsident. Allerdings weiß ich nicht, ob ich ihr als Jurist wirklich Ratschläge zu geben vermag, mit denen sich dann auch etwas anfangen läßt. Von Politologie habe ich nämlich keine Ahnung.
Aber von Politik! rief Breisinger erleichtert, und das ist doch das Entscheidende! Wie Sie die Sache mit dem Landesjubiläum aufziehen, die Verbände und Kommunen einbinden, wie Sie ein Wahlprogramm aus dem Ärmel schütteln, obgleich Sie erst ein paar Monate in der CDU sind, das zeigt doch Ihr großes politisches Talent, lieber Herr Gundelach! Also, vielen Dank, und ich werde Irmgard sagen, sie soll sich umgehend mit Ihnen in Verbindung setzen. – Und nun zu Ihnen: Was haben Sie auf dem Herzen?
Entspannt lehnte er sich zurück. Sein ledernes Gesicht strahlte vor väterlicher Freude.
Alles, das wußte Gundelach, konnte er in diesem Moment von Rudolf Breisinger haben. Oder fast alles. Die Weigerung aber, sein ›großes politisches Talent‹ weiter in den Dienst der Partei zu stellen, hätte auf sein Gegenüber wie eine Verhöhnung der Lobrede wirken müssen, die er sich gerade abgerungen hatte.
Wollte er das? Er wollte es nicht.
Es ist eigentlich nichts, murmelte er unbestimmt. Ich … mache mir nur ein wenig Sorgen, ob meine Abordnung vom Landratsamt an die Staatskanzlei in eine endgültige Versetzung umgewandelt wird. Ich bin jetzt seit einem dreiviertel Jahr hier, und man wird das bald entscheiden müssen.
Es gelang ihm, Breisinger ruhig in die Augen zu sehen, während er sprach.
Aber das ist doch überhaupt gar keine Frage! rief der Ministerpräsident. Sagen Sie Brendel, Sie hätten mit mir gesprochen.
So endete der Versuch des Assessors Gundelach, Widerstand zu leisten. Als er wieder auf den Flur hinaustrat, vermied er es, in den mit vergoldeten Schnitzereien verzierten Spiegel zu blicken, der an der Wand zwischen Breisingers und Gärtners Tür hing und Besuchern die Möglichkeit bot, noch schnell ihr Äußeres zu richten, bevor sie empfangen wurden.
Der Triumph oder: Wie man Wahlen gewinnt
Der Landesvorstand tagte in gediegener Umgebung. Das Gästehaus Schaumberger war eine in den fünfziger Jahren erbaute Fabrikantenvilla, die, auf halber Berghöhe gelegen, den Dunst und die Enge der Talkesselstadt nur als Panorama an sich heranließ. Die CDU hatte das Gebäude angemietet, nachdem ihr Besitzer, des ewiggleichen steinernen Anblicks überdrüssig, sich gänzlich aufs Land zurückgezogen hatte.
Die Parteispitze dagegen genoß es, in den eleganten Salons bis in die Nacht hinein zu debattieren, sich aus der Küche mit einem kalt-warmen Buffet verköstigen zu lassen und dem zu Füßen ausgebreiteten Lichtermeer manch tiefsinnige Bemerkung zu widmen. Auch konnte man in den zahlreichen Fauteuils wunderbar Monte Christo- und Davidoff-Zigarren rauchen, die vom Hausmeisterehepaar stets bereitgehalten wurden, und an den zierlichen Ecktischen ließ sich ein Skat der gehobenen Art klopfen. Sitzungen im Gästehaus galten als exklusiv und litten nie unter mangelnder Teilnahme.
Die Mitglieder des Vorstands, rund zwanzig Personen, versammelten sich um mahagonifarbene Eßtische, die zu einer Reihe zusammengeschoben waren. Die übrigen Anwesenden hatten (auch hier!) mit Stühlen entlang der Wände vorlieb zu nehmen, auf denen es allerdings weniger hart zuging als im Kabinettssaal: Mitarbeiter der Fraktion und der Geschäftsstelle, Müller-Prellwitz, Bertsch, Büscher und Gundelach, die Herren der Münchner Werbeagentur und ein Verleger, der Breisingers Reden publizierte. Willi Pörthner dagegen saß an Breisingers Seite, und die Freude darüber blitzte aus seinen Augen.
Die Wahlplattform wurde als erstes abgehandelt. Gedruckt und geheftet lag sie jedem Teilnehmer vor, und
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