Monster
war. Das war hier ein ganz friedlicher Ort, deswegen war es ja auch möglich, dass ich den Sheriffposten als Teilzeitjob erledigt habe. In erster Linie war ich dazu da, den Leuten aus kleineren Schwierigkeiten zu helfen, mich um alte Leute zu kümmern, die nicht mehr alleine vor die Tür kamen, und ab und zu dafür zu sorgen, das jemand, der schon sturzbetrunken war, sich nicht mehr ans Steuer von seinem Auto gesetzt hat. Eigentlich war ich eher so was wie ein Sozialarbeiter. Aber Peake … der Kerl war schon immer irgendwie seltsam. Und wir waren alle zu gutgläubig. Verdammt noch mal.«
Er hatte sich völlig in Rage geredet und fuchtelte wie wild mit den Händen in der Luft herum. Ich wartete, bis er sich ein wenig beruhigt hatte, und sagte: »Als Treadway aufgelöst wurde, was ist da mit den Unterlagen aus dem Stadtarchiv passiert?«
»Wurde alles in Kisten verpackt und nach Bakersfield verfrachtet. Aber wenn Sie da was finden wollen, vergessen Sie’s. Da gibt’s allenfalls Karten, Grundrisse, und selbst davon nicht mal sonderlich viele. Meiner Ansicht nach sind Sie auf dem Holzweg. Da gibt’s nichts zu ernten, Doktor. Warum fahren Sie nicht wieder zurück nach L.A. und erzählen Ihren Bossen, dass sie den ganzen Psychokram einfach vergessen sollen. Peake ist hinter Gittern, und das ist die Hauptsache.«
Er schaute auf sein Handgelenk. Keine Uhr. Er stand auf, fand sie auf einem der Bücherregale, legte sie an und sah noch einmal auf das Zifferblatt.
Ich sagte: »Danke, dass Sie mir Ihre Zeit geopfert haben. Aber ein paar kurze Fragen hätte ich noch. In einem der Zeitungsartikel stand, Peake hätte geschlafen, als Sie ihn fanden.«
»Wie ein -« Seine Lippen zitterten. »Ich wollte schon sagen wie ein Baby. Herrgott noch mal - ja, er hat geschlafen. Auf seinem Rücken gelegen, die Hände vor der Brust verschränkt. Das ganze Gesicht war mit Blut verschmiert. Zuerst dachte ich, er wäre auch umgebracht worden, aber als ich dann genauer hingesehen habe, merkte ich, dass es nur Spritzer waren, und da habe ich ihm dann ganz schnell die Handschellen angelegt.«
Er wischte sich den Schweiß von seinen Wangen. »Wie er gehaust hat. Der reinste Schweinestall - der Gestank war schlimmer als bei einem Hund mit Dünnschiss. Die paar Habseligkeiten, die Peake besaß, waren alle über den Boden verstreut. Verdorbenes Essen, Ungeziefer in Hülle und Fülle, leere Schnapsflaschen, Farbsprühdosen, Leimtuben, Pornohefte, die er sich von sonstwo besorgt haben muss, weil es so einen Dreck in Treadway nicht zu kaufen gab. Es konnte sich zwar niemand erinnern, dass Peake mal weggefahren wäre, aber irgendwie muss er’s wohl angestellt haben. Wie hätte er sonst an das Dope kommen sollen? Und Pillen? Davon hatte er alle möglichen Sorten - Speed, Downers, Phenobarbitol. Die einzige Apotheke war damals drüben in Tehachapi, und die hatten keine Unterlagen über irgendwelche Rezepte für Peake. Also muss er den Kram wohl auf der Straße gekauft haben. So ein Gesocks wie Peake kommt ja an alles irgendwie ran.«
»War er in der besagten Nacht auf Drogen?«
»Musste er wohl. Selbst als ich ihm die Handschellen angelegt, ihn angebrüllt und ihm meinen Revolver unter die Nase gedrückt hatte, konnte ich ihn kaum dazu bewegen aufzustehen. Er ist immer wieder weggedriftet, hat dämlich gegrinst, und dann hat er endgültig die Augen zugemacht und sich ins Land der Träume verpisst. Ich musste mich schwer zusammenreißen, dass ich ihn nicht einfach über den Haufen schieße wegen dem, was er angerichtet hatte - dem, was ich in seinem Schuppen gefunden hatte.« Er wandte sich ab. »Auf seiner Kochplatte. Er hatte sein Messer mitgenommen, das er auch schon bei dem kleinen Mädchen benutzt hatte, und dann hat er sich das Baby aus der Wiege geschnappt und -«
Wieder sprang er auf. »Zur Hölle, ich wird mir das nicht noch mal antun. Ich will das nicht noch mal durchmachen. Es hat eine verdammte Ewigkeit gedauert, bis ich diese Bilder aus meinem Kopf raus hatte. Wiedersehen, Doktor - sagen Sie jetzt nichts außer Wiedersehen.«
Er eilte zur Tür und hielt sie auf. Ich dankte ihm noch mal für die Zeit, die er mir geopfert hatte.
»Klar doch.«
»Nur noch eines: Wer hat das Anwesen von Scott und Terri geerbt?«
»‘ne ganze Reihe von Verwandten aus ganz Kalifornien. Ihre Familie kam aus Modesto, und Scott hatte noch Verwandte mütterlicherseits in San Francisco. Der Anwalt, der sich um die Sache gekümmert hat, meinte, es gäbe etwa
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