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Monströse Welten 1: Gras

Monströse Welten 1: Gras

Titel: Monströse Welten 1: Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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Mainoa. »Lauscht den jungen Brüdern, den Himmelsstürmern, denen, die dort oben auf dem Netz zwischen den Türmen balancieren. Lauscht ihnen allen. Was sie sehen, sind Augen im Gras, welche die Abtei beäugen. Natürlich beobachten sie uns. Das macht es auch so schwierig, etwas herauszufinden.«
    Kein Kommentar von oben. Bruder Mainoa riskierte einen Blick in diese Richtung, sah aber nichts außer dem fahlen Himmel, der durch eine Lücke im Blätterdach zu erkennen war; ein Stern funkelte im Zenit, wie eine Paillette, die sich vom Gewand eines Engels gelöst hatte. Ein Stück zur Linken, so hoch, daß es mit einem seidenmatten Glanz die letzten Sonnenstrahlen einfing, erspähte er dicht über dem Horizont ein paar Maschen des zwischen den Türmen der Abtei gespannten Netzes.
    »Führst du wieder Selbstgespräche, Bruder?« ertönte eine mißbilligende Stimme. Bruder Mainoa fuhr herum. Die Gestalt verbarg sich im Schatten des Nachbarbaums. Es war die Stimme des Älteren Bruders Noazee Fuasoi, Stellvertretender Leiter des Referats Sicherheit und Akzeptable Doktrin der Abtei; was, bei allen Teufeln der Hölle, hatte er hier bei der Ausgrabungsstätte zu suchen?
    »Ich war nur in Gedanken, Älterer Bruder«, murmelte Mainoa, erhob sich und nahm Haltung an; er fragte sich, ob der Mann ihm gefolgt war, und wenn ja, wie lange er schon dort gestanden hatte. »Ich habe mir Gedanken über die Ausgrabungen gemacht.«
    »Ich hatte eher den Eindruck, daß es sich um Gartenarbeiten handelte, Bruder.«
    »Nun ja. Das auch. Ich habe sozusagen versucht, mir den Effekt auszumalen.«
    »Eine schlechte Angewohnheit, Bruder Mainoa. Stört die Kontemplation und Etikette des Ordens. Das Festhalten an solch schlechten Angewohnheiten ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, weshalb du noch immer mit dem Freilegen von Ruinen beauftragt bist, anstatt würdigere Pflichten zu übernehmen, die deinem Alter angemessen wären. Wenn du dich ordentlich benehmen würdest, hättest du schon lange einen Bürojob in der Abtei.«
    »Ja, Älterer Bruder«, sagte Bruder Mainoa respektvoll, obwohl er den Bürohengsten der Abtei im Grunde nicht den geringsten Respekt entgegenbrachte. »Ich werde mich bemühen, diese Angewohnheit wieder abzulegen.«
    »Das solltest du auch. Ich würde dich nämlich nur ungern dem Ältesten Bruder Jhamless Zoe melden. Der Älteste Bruder Jhamless nimmt die Doktrin sehr ernst.«
    Das zumindest entsprach der Wahrheit. Jhamless Zoe war nämlich noch nicht lange genug vor Ort, als daß sein Eifer schon nachgelassen hätte. Noch immer hielt er auf Gras Ausschau nach möglichen Konvertiten. »Ja, Älterer Bruder«, seufzte Mainoa.
    »Ich bin gekommen, um dir zu sagen, daß du zum Begleitdienst eingeteilt bist. Wir erwarten einen renitenten Ministranten von Heiligkeit. Bruder Shoethai und ich haben dir ein Fahrzeug der Abtei bereitgestellt, mit dem du ihn morgen früh abholen wirst.«
    Bruder Mainoa verneigte sich beflissen und enthielt sich jedweder Äußerung.
    Der Ältere Bruder Fuasoi rülpste und rieb sich nachdenklich den Bauch. »Der Junge hatte nicht mal mehr ein Jahr zu dienen und ist ausgerastet. Es heißt, er hätte die Contenance verloren und im Refektorium randaliert. Er reist unter seinem Geburtsnamen. Rillibee Chime. Überleg dir einen Bruderschafts-Namen für ihn.«
    »Ja, Älterer Bruder.«
    »Das Schiff wird bald eintreffen, also spute dich. Und keine Selbstgespräche mehr.« Erneut strich Bruder Fuasoi sich über den Bauch und ging davon.
    Bruder Mainoa verneigte sich demütig hinter dem abtretenden Fuasoi, wobei er ihm wünschte, daß er bald an einem Magengeschwür abkratzte. Scheißkerl, dachte er. Alle Jünger der Akzeptablen Doktrin waren Scheißkerle. Das galt auch für den Älteren Bruder Jhamless Zoe, den irren Missionar, der auf Gras versauerte, niemanden zum Missionieren fand und darüber allmählich den Verstand verlor. Sie hatten nichts als Scheiße im Kopf; sonst hätten sie nämlich gewußt, was hier auf Gras vorging. Jeder, der nicht völlig verblödet war, wußte das…
    Erneut ertönte das Schnurren von oben, diesmal voller Belustigung.
    »Du bringst mich noch in größte Schwierigkeiten«, murmelte Bruder Mainoa. »Dann wird dir das Schnurren schon vergehen.«
     
    Die zweihundertfünfzig Quadratkilometer große Fläche, welche die Aristokraten als Commoner Town bezeichneten, wurde von einem bizarren Felsen, der halb im Scherz ›Der einzige Berg von Gras‹ oder schlicht EBG genannt wurde, in

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