Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)
Sachen in ihre Tasche.
»Was machst du denn da?«, fragte er und zog die Kopfkissen zu sich her.
»Ich packe. Ich fahre nach London …«
»Jetzt sofort?«
»Ich habe um Punkt fünf Uhr einen Termin bei Miss Farland. Oh, Verzeihung! Paula. Sie hat gesagt, ich soll sie ab jetzt Paula nennen …«
»Hast du die Ausschreibung gewonnen?«
»Ja.«
»Herzlichen Glückwunsch«, sagte er düster, legte sich wieder hin und wandte ihr den Rücken zu.
Hortense sah ihn verzagt an. O nein!, stöhnte sie stumm, o nein! Sei jetzt nicht sauer, tu mir das nicht an. Es fällt mir doch auch so schon schwer genug, jetzt wegzufahren …
Sie ging zum Bett, setzte sich hin und sprach zu dem Rücken.
»Versuch doch, mich zu verstehen. Das ist mein Traum, mein großer Traum, der Wirklichkeit wird …«
»Ich freue mich sehr für dich … es sieht vielleicht nicht danach aus, aber ich krieg mich kaum noch ein vor Begeisterung!«, brummte er, die Nase im Kissen vergraben.
»Gary … Bitte … Ich will etwas Großes aus meinem Leben machen, ich will weiterkommen, Erfolg haben, es bis ganz oben schaffen, das bedeutet alles für mich …«
»Alles?«, wiederholte er ironisch.
»Gary … diese Nacht war … wunderbar. Mehr als wunderbar. Ich hätte nie gedacht, dass … Ich dachte, ich würde den Verstand verlieren, vor Lust, vor Glück …«
»Vielen Dank, meine Liebe«, fiel ihr Gary ins Wort. »Es freut mich sehr, dass ich es geschafft habe, deinen Ansprüchen gerecht zu werden.«
»Ich habe so etwas noch nie erlebt, Gary, noch nie …«
»Und trotzdem fährst du nach London, und beim Packen hast du gehofft, ich würde nicht aufwachen …«
Sie redete immer noch mit einem Rücken. Einem schlecht gelaunten Rücken.
»Das ist eine unglaubliche Chance für mich, Gary. Und wenn ich nicht fahre …«
»Wenn du nicht vor Miss Farland strammstehst?«
»Wenn ich nicht hinfahre, klaut mir vielleicht jemand anderer meinen Platz!«
»Dann fahr doch, Hortense, lauf, flieg, spring in den Eurostar, wirf dich Miss Farland zu Füßen … Ich halte dich nicht auf. Ich verstehe sehr gut. Das ist logisch … Nein, ich sollte besser sagen, es entspricht deiner Logik.«
»Aber ich verlasse dich doch nicht für einen anderen!«
»Für zwei beschissene Schaufenster bei Harrods! Dem vulgärsten Kaufhaus in ganz London! Aber ich bin ja selbst schuld. Normalerweise habe ich bei Mädchen einen besseren Riecher …«
Wie gelähmt sah Hortense ihn an. Das konnte er doch nicht sagen! Sie auf eine Stufe mit den anderen stellen. Verbrachte er solche Nächte mit allen Mädchen? Unmöglich. Diese Nacht war einzigartig gewesen. Das konnte für ihn nicht anders gewesen sein. Unmöglich, unmöglich.
»Das heißt doch nicht, dass mir das, was wir beide heute Nacht erlebt haben, nichts bedeutet«, beharrte sie, mit besonderer Betonung auf »wir beide«.
»Wer ist das, ›wir beide‹?«, fragte er und drehte sich zu ihr um.
»Wir haben alle Zeit der Welt, Gary, alle Zeit der Welt.«
Er sah sie mit einem strahlenden Lächeln an.
»Ich halte dich doch nicht auf, Hortense. Fahr nur. Ich werde dir ohne Heulen und Zähneknirschen dabei zusehen, wie du deine Tasche packst, und wenn du etwas vergisst, erinnere ich dich daran. Du siehst, ich bin durchaus bereit, dir zu helfen …«
»Gary, hör auf!«, fiel ihm Hortense ungeduldig ins Wort. »Ich nehme mein Leben in die Hand. Jetzt. In diesem Moment. Das ist meine Leidenschaft, die sich endlich verwirklicht … Und das würde ich notfalls gegen alle Widerstände durchsetzen …«
»Das ist genau das, was ich sehe … eine Leidenschaft, die sich verwirklicht. Schön. So etwas habe ich vorher noch nie aus der Nähe gesehen. Ich klatsche Beifall!«
Er legte die Hände aneinander und applaudierte matt, als machte er sich über sie lustig.
»Das geht nicht gegen dich, Gary … Aber ich muss fahren! Komm doch mit mir.«
»Um deine Taschen zu tragen und deine Schaufenster zu dekorieren? Nein, danke! Ich habe Besseres zu tun.«
Und dann begann Hortense nachzudenken. Sie würde nicht vor ihm auf die Knie fallen. Er verstand sie nicht? Pech gehabt! Sie würde fahren. Allein. Sie war es gewöhnt, allein zu sein. Daran war sie nicht gestorben. Sie war zwanzig Jahre alt und hatte das ganze Leben vor sich.
»Meinetwegen! Dann bleib hier. Schmoll nur! Ich werde Harrods erobern, ich werde London erobern, ich werde Paris erobern, ich werde New York, Mailand, Tokio erobern … Und ich werde es ohne dich tun, weil du ja
Weitere Kostenlose Bücher