Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)
gesehen, wie Sie sich, tief gebeugt unter dem Gewicht der Windbeutel, durch den Dienstboteneingang hereingeschlichen haben; Sie haben sogar die Rechnung fallen lassen. Jacques wird nicht erfreut sein! Jetzt kann er die kleinen Windbeutel nicht als Bewirtungskosten von der Steuer absetzen …«
Er schob eine Hand in die Tasche, präsentierte die Rechnung und steckte sie dann sorgsam wieder zurück. Joséphine lachte auf und hob eine Hand vors Gesicht. Sie fühlte sich wieder besser und hatte Lust zu lachen.
»Deshalb hat sie Sie also eingeladen …«, fuhr Gaston Serrurier fort. »Ich fragte mich schon, was hat diese reizende, feinfühlige Frau bloß in dieser Gesellschaft zu suchen? Darauf hätte ich auch gleich kommen können! Jacques hat sich gedrückt, Bérengère hat Sie in letzter Minute angerufen, und Sie haben natürlich Ja gesagt … sobald es etwas zu erledigen gibt, ruft man nach Ihnen. Sie sollten die Kongregation der Kleinen Schwestern der Armen wiederbeleben oder eine Filiale der Restos du Cœur eröffnen …«
»Darüber denke ich oft nach … Allein mit dem, was heute Abend weggeworfen wird. Es macht mich ganz krank, wenn ich an diese Verschwendung denke.«
»Dachte ich es mir doch. Reizend und feinfühlig …«
»Sie sagen das so, als meinten Sie eigentlich dumm und albern …«
»Ganz und gar nicht! Ich kenne die Bedeutung der Worte sehr wohl, und ich bleibe bei meinem Urteil über Sie …«
»Bei Ihnen weiß man nie, ob Sie scherzen oder etwas ernst meinen …«
»Finden Sie das nicht besser? Es ist ungemein öde, mit einem durch und durch vorhersehbaren Menschen zu leben. Da muss einem sehr schnell langweilig werden. Und wenn es eines gibt, was ich im Leben verabscheue, dann ist es Langeweile … Aus Langeweile könnte ich töten. Oder beißen. Oder eine Bombe legen …«
Er strich sich mit der Hand durchs Haar und fuhr im Tonfall eines bestraften Kindes fort: »Und ich darf nicht einmal rauchen! Dazu müsste ich rausgehen, aber ich will viel lieber hier bei Ihnen bleiben … Stört es Sie, wenn ich Ihnen den Hof mache?«
Joséphine wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Sie starrte auf ihre Schuhspitzen.
»Ich langweile Sie ganz offensichtlich.«
»Nein, nein!«, widersprach sie, erschreckt von der Vorstellung, sie könne ihn verletzt haben. »Aber Sie schweifen ab, Sie wollten mir die Geschichte dieses Paares erzählen, das ich so rührend finde …«
Ein grausames, wissendes Lächeln trat auf Gaston Serruriers Lippen, welches er bewusst ein wenig verweilen ließ.
»Warten Sie lieber ein bisschen, ehe Sie sich Ihrer Rührung hingeben … Lassen Sie sich nicht zu schnell hinreißen, es ist eine diabolische Geschichte …«
»Dann sind die beiden aber gute Schauspieler …«
»So kann man es ausdrücken.«
»Das klingt wie eine Erzählung aus den Teuflischen .«
»Absolut. Man sollte Barbey d’Aurevilly davon erzählen, dann würde er sie in seine Sammlung aufnehmen! Ich fasse zusammen: Sie stammt aus einer reichen, katholischen Provinzfamilie. Er hingegen aus sehr bescheidenen Verhältnissen, Urpariser Straßenjunge gewissermaßen. Er ist intelligent, gewandt, quirlig, charmant, hat ein sehr gutes Studium absolviert. Sie ist schüchtern, naiv, errötet leicht und hat nur mit Mühe ihr Abitur bestanden. Aber das war nicht weiter schlimm, ihr Vermögen machte alle fehlenden Diplome wett. Er hat sie in der Fahrschule kennengelernt, sie verführt und geheiratet, als sie noch sehr jung und sehr unschuldig war. Und sehr verliebt …«
»Das klingt wie ein Märchen!«, kicherte Joséphine, die sich in Gegenwart dieses Mannes zunehmend entspannte.
Alles, was er sagte, brachte sie zum Lachen. Sie fühlte sich nicht mehr so fremd in diesem Salon.
»Und es ist noch nicht zu Ende!«, sagte er und setzte, um die Spannung zu steigern, hinzu: »Ich weiß gar nicht, ob ich Ihnen das alles erzählen soll. Kann man Ihnen vertrauen?«
»Ich schwöre hoch und heilig, dass ich nichts weitererzählen werde … Ich wüsste überhaupt nicht, wen von den Leuten, die ich kenne, das interessieren sollte …«
»Stimmt auch wieder … Sie verkehren mit niemandem, gehen kaum aus dem Haus, es sei denn zur Messe. Mit einer langen Mantilla auf dem Kopf und dem Rosenkranz ums Handgelenk geschlungen …«
»So ungefähr«, antwortete Joséphine und lachte auf.
Sie hatte gelacht wie ein kleines Mädchen. Und mit einem Schlag leuchtete sie auf, wurde schön, strahlend. Ein Scheinwerfer hatte sie in
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