Montgomery u Stapleton 02 - Das Labor
verhielten. Auf Dr. Cheveau traf das zweifellos zu. Jedenfalls war sie spätestens nach diesem Vorfall nur zu gern bereit, dem Wunsch von Dr. Stapleton nachzukommen.
Etwas unschlüssig stand sie vor den beiden Isoliertüren und wußte nicht, welche sie zuerst öffnen sollte. Die linke führte in den begehbaren Kühlraum, die andere in den ebenfalls begehbaren Brutschrank. Da sie im letzteren den ganzen Tag über die Rachenabstriche deponiert hatte, beschloß sie, dort mit der Suche zu beginnen. Schließlich gab es im Brutschrank nur wenige Kulturen, von denen sie nicht wußte, was sie enthielten. Warme, feuchte Luft strömte ihr entgegen. Die Temperatur wurde stets in etwa auf Körpertemperatur gehalten, denn die meisten Bakterien und Viren, die auch auf Menschen übergingen, ließen sich am besten bei menschlicher Körpertemperatur heranzüchten. Als Beth den zweieinhalb mal drei Meter großen Raum betreten hatte, fiel die Tür hinter ihr automatisch zu, damit keine Wärme entweichen konnte. Beleuchtet wurde der Brutschrank von zwei Glühbirnen, die lose von der Decke herabhingen und von einem Drahtgeflecht umhüllt waren. Sowohl an den beiden Seitenwänden als auch an der Rückwand standen Regale aus perforiertem, rostfreiem Stahl. Ein weiteres Regal stand in der Mitte des kleinen Raumes und unterteilte ihn in zwei enge Schläuche.
Sie ging zuerst zu dem Regal an der Rückwand, in dem sich einige Stahlbehälter befanden, die ihr schon oft aufgefallen waren, denen sie jedoch bisher keine weitere Beachtung geschenkt hatte. Mit beiden Händen umfaßte sie einen der Behälter, zog ihn aus dem Regal und stellte ihn auf dem Boden ab. Er war in etwa so groß wie ein Schuhkarton. Sie wollte ihn öffnen, mußte aber feststellen, daß er einen mit einem Vorhängeschloß gesicherten Riegel hatte!
Beth war völlig verblüfft und schöpfte auf der Stelle Verdacht. Im Labor wurden nur wenige Dinge unter Verschluß gehalten. Sie hob den Behälter wieder auf und stellte ihn zurück an seinen Platz. Dann ging sie das ganze Regal ab und nahm jeden einzelnen der Behälter in Augenschein. Sie waren alle mit einem Vorhängeschloß gesichert. Als nächstes musterte sie die Behälter auf dem unteren Regalboden. An dem fünften Kasten fiel ihr etwas auf. Sie tastete die Rückseite ab und registrierte, daß der Riegel geöffnet war. Sie zwängte ihre Finger zwischen den unverschlossenen Behälter und die Nachbarbehälter und schaffte es, ihn herauszuziehen. Sofort merkte sie, daß er im Vergleich zu dem ersten viel leichter war. Sie hob den Deckel an und erblickte mehrere Petrischalen, die nicht in der im Labor üblichen Weise beschriftet waren. Statt dessen hatte sie jemand mit einem Fettstift alphanumerisch gekennzeichnet.
Vorsichtig entnahm sie dem Behälter eine Petrischale mit der Beschriftung A-81. Als sie den Deckel anhob, blickte sie auf mehrere gedeihende Bakterienkolonien. Sie waren transparent und schleimig und wurden in einem Nährboden gezüchtet, von dem sie wußte, daß es sich um sogenannten Schokoladen-Agar handelte. Ein scharfes mechanisches Klickgeräusch ließ Beth zusammenfahren. Jemand hatte die Isoliertür geöffnet. Ihr Puls begann zu rasen. Wie ein Kind, das bei etwas Verbotenem erwischt wird, versuchte sie verzweifelt, die Petrischale in den Behälter zurückzustellen und diesen ins Regal zu schieben, bevor sie entdeckt wurde Doch leider reichte die Zeit nicht. Sie hatte es gerade mal geschafft, den Behälter zu schließen und ihn vom Boden aufzuheben, als sich Dr. Martin Cheveau vor ihr aufbaute. Seltsamerweise hielt er einen Behälter in den Händen, der genauso aussah wie der, den sie gerade inspiziert hatte. »Was machen Sie da?« fuhr er sie an.
»Ich…« Mehr brachte Beth nicht heraus. Ihr fiel einfach keine glaubhafte Ausrede ein.
Dr. Cheveau stellte seinen Metallkasten mit einem lauten Krachen ins Regal und riß Beth den Behälter aus den Händen. Dann sah er, daß der Riegel offen war.
»Wo ist das Vorhängeschloß?« fragte er in bedrohlichem Ton. Beth streckte ihm ihre Faust entgegen und öffnete sie. Auf ihrer Handfläche lag das geöffnete Vorhängeschloß. Martin entriß es ihr und musterte es. »Wie haben Sie das geöffnet?«
»Es war offen.«
»Sie lügen.«
»Nein«, widersprach Beth. »Ehrlich. Es war wirklich schon offen, und ich war neugierig, was sich wohl in dem Behälter befindet.«
»Erzählen Sie mir keine Geschichten«, brüllte er. In dem beengten Raum klang seine Stimme
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