Montgomery u Stapleton 02 - Das Labor
damit er irgend etwas in den Händen hielt, womit er sich an eine offizielle Stelle wenden konnte.
Er ließ seine Schreibarbeit liegen und stürmte hinauf in den fünften Stock zum DNA-Labor. Im Gegensatz zum Rest des Gebäudes, war dieses Labor auf dem neuesten Stand der Technik. Es war erst kürzlich renoviert und mit den modernsten Geräten ausgestattet worden. Sogar die weißen Laborkittel des Personals wirkten frischer und weißer als die der anderen Laborassistenten.
Jack hielt nach dem Laborchef Ted Lynch Ausschau und erwischte ihn gerade noch; er war auf dem Weg zum Mittagessen. »Hat Agnes Ihnen die Tests gegeben?«
»Ja«, sagte Ted. »Sie sind in meinem Büro.«
»Das heißt wohl, daß Sie noch keine Ergebnisse haben?« bemerkte Jack.
Ted lachte. »Wie stellen Sie sich das nur vor?« fragte er. »Wir haben noch nicht einmal die Kulturen gezüchtet. Ich habe irgendwie das Gefühl, Sie unterschätzen völlig, wie aufwendig diese Untersuchung ist. Wir rühren die Substanzen nicht einfach in irgendeine Bakteriensuppe! Wir müssen das Nukleoproteid isolieren und es dann mittels Polymerasekettenreaktion vervielfältigen, um genügend Substrat zu bekommen. Ansonsten würde der Fluoreszenztest selbst dann negativ ausfallen, wenn die Probe positiv reagieren würde. Wir brauchen also noch ein bißchen Zeit.«
Nach dieser Belehrung kehrte Jack in sein Büro zurück, ließ sich an seinem Schreibtisch nieder und starrte die Wand an. Obwohl es Mittagszeit war, hatte er kein bißchen Hunger. Als nächstes beschloß er, den städtischen Epidemiologen anzurufen. Er schlug die Nummer im Telefonbuch nach und wählte. Es meldete sich eine Sekretärin, und Jack bat sie, ihn mit Dr. Abelard zu verbinden.
»Wie war ihr Name?« hakte die Sekretärin noch einmal nach. »Dr. Stapleton«, erwiderte Jack und widerstand der Versuchung, sich einen kleinen Scherz zu erlauben. Da er wußte, welchen Respekt der Epidemiologe vor der Obrigkeit hatte, hätte Jack ihm liebend gern ausrichten lassen, er sei der Bürgermeister oder die Gesundheitsbeauftragte.
Während er darauf wartete, verbunden zu werden, spielte er gedankenverloren mit einer Büroklammer herum. Als er plötzlich wieder die Sekretärin in der Leitung hatte, war er ziemlich überrascht.
»Tut mir leid«, sagte sie. »Aber Dr. Abelard hat mich gebeten, Ihnen auszurichten, daß er nicht mit Ihnen reden möchte.«
»Richten Sie dem guten Doktor aus, daß ich seine geistige Reife bewundere«, entgegnete Jack.
Er knallte den Hörer auf die Gabel. Dr. Abelard war nichts als ein arroganter Mistkerl. Zusätzlich zu seiner Angst vor einer Influenzaepidemie war er jetzt auch noch wütend. Um so mehr quälte es ihn, daß ihm momentan die Hände gebunden waren. Er fühlte sich wie ein Löwe im Käfig. Doch selbst wenn er seinen Kopf riskierte und dem Manhattan General tatsächlich nochmals einen Besuch abstattete - mit wem sollte er dort reden? Im Geiste ging er sämtliche Krankenhausmitarbeiter durch, die er bisher kennengelernt hatte. Plötzlich fiel ihm Kathy McBane ein. Sie war offen und freundlich gewesen und gehörte zudem dem Ausschuß für die Überwachung von Infektionskrankheiten an.
Jack griff erneut zum Telefonhörer und wählte die Nummer des Manhattan General. Kathy war nicht in ihrem Büro; deshalb ließ er sie über die Sprechanlage ausrufen. Sie nahm das Gespräch in der Cafeteria entgegen. Im Hintergrund hörte Jack dumpfes Stimmengewirr und das Klappern von Geschirr. Er stellte sich vor und entschuldigte sich dafür, daß er sie beim Mittagessen gestört hatte.
»Das macht doch nichts«, entgegnete Kathy freundlich. »Was kann ich für Sie tun?«
»Erinnern Sie sich an mich?«
»Natürlich«, erwiderte Kathy. »Wie könnte ich Sie vergessen, nachdem Sie Mr. Kelley und Dr. Zimmerman so in Rage versetzt haben?«
»Und die beiden scheinen weiß Gott nicht die einzigen zu sein, die ich in Ihrem Krankenhaus vor den Kopf gestoßen habe«, stellte Jack fest.
»Seitdem diese Infektionsfälle aufgetreten sind, liegen bei allen Mitarbeitern die Nerven bloß«, sagte Kathy. »Ich würde die Anfeindungen nicht persönlich nehmen.«
»Ich habe eine Bitte«, fuhr Jack fort. »Ich bin immer noch dabei, diesen Infektionsfällen auf den Grund zu gehen. Deshalb würde ich gern noch einmal vorbeikommen und mit Ihnen reden. Wäre das möglich? Es müßte aber unter allen Umständen unter uns bleiben. Glauben Sie, das ließe sich einrichten?«
»Ja, warum nicht?«
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