Montgomery u Stapleton 02 - Das Labor
Warren war da; von allen war er der weitaus beste Basketballer. Jack hörte, wie er seine Mannschaftskollegen immer wieder anspornte, ihr Bestes zu geben. Das Team, das verlieren würde, mußte aussetzen, denn an der Seitenlinie wartete bereits eine ungeduldige Schar von weiteren Spielern. Der Kampfgeist war jedesmal unerbittlich.
Warren versenkte den letzten Ball im Korb; das Team, das verloren hatte, schlich mit hängenden Köpfen vom Spielfeld. Als die neuen Mannschaften zusammengestellt wurden, entdeckte Warren Jack am Zaun. Er winkte und stolzierte auf ihn zu. »Hey, Doc, wie steht’s?« rief Warren. »Willst du eine Partie mitspielen, oder was?«
Warren war ein gutaussehender Afroamerikaner. Er hatte einen kahlrasierten Kopf und einen gepflegten Schnäuzer, doch am beeindruckendsten war sein Körper. Er sah aus wie eine der griechischen Statuen im Metropolitan Museum. Jack hatte mehrere Monate gebraucht, bis Warren ihn akzeptiert hatte. Inzwischen hatten sie zwar eine Art Freundschaft geschlossen, doch die basierte vor allem auf ihrem gemeinsamen Interesse am Straßen-Basketball. Im Grunde wußte Jack nicht mehr über Warren, als daß er der beste Basketballer und der Anführer der Streetgang dieses Viertels war, und er vermutete, daß diese beiden Positionen Hand in Hand gingen.
»Klar«, sagte Jack. »In welcher Mannschaft sind die Gewinner?« Es war ein ziemlich schwieriges Unterfangen gewesen, in die Basketball-Gemeinde aufgenommen zu werden. Er hatte einen Monat lang geduldig am Spielfeldrand ausharren müssen, bevor man ihn das erstemal zum Mitspielen aufgefordert hatte. Dann hatte er zeigen müssen, was er konnte. Toleriert wurde er erst, als er bewiesen hatte, daß er den Ball auch im Korb versenken konnte - und daß er nicht nur Zufallstreffer landete. Als er dann später noch das Flutlicht gestiftet und dafür gesorgt hatte, daß Spielbretter erneuert wurden, hatte er seine Stellung nochmals ein wenig verbessert. Außer ihm durften nur zwei andere Weiße mitspielen. Auf diesem Spielfeld war es ein echtes Handicap, kaukasischer Abstammung zu sein; man mußte die Regeln kennen.
»Ron hat ein paar gute Leute und Jack auch«, erklärte Warren. »Aber du kannst auch zu mir kommen. Die Alte von Flash hat rumgekeift; er soll sich bald zu Hause blicken lassen, sonst macht sie ihm die Hölle heiß.«
»Ich bin sofort zurück«, rief Jack, stieß sich vom Zaun ab und radelte zu seinem Haus hinüber.
Bevor er hineinging, ließ er seinen Blick kurz über die Fassade gleiten. Das Gebäude wirkte wirklich nicht gerade einladend, dabei mußte es irgendwann einmal recht hübsch gewesen sein. Unter der Dachkante hingen immer noch kleine Überreste eines schön verzierten Gesimses, doch sie drohten jeden Moment abzubrechen. Im dritten Stock waren zwei Fenster mit Brettern vernagelt.
Es war ein Backsteinhaus mit sechs Stockwerken; auf jeder Etage befanden sich zwei Wohnungen. Jack teilte sich die vierte Etage mit Denise, einem alleinstehenden Teenager mit zwei kleinen Kindern.
Er stieß die Haustür mit dem Fuß auf. Da ein Schloß fehlte, stand sie Tag und Nacht offen. Sein Rad geschultert, stieg er vorsichtig die Treppe hinauf, darauf achtend, daß er nicht auf den herumliegenden Müll trat. Im zweiten Stock war ein heftiger Streit im Gange, bei dem gerade jede Menge Glas zu Bruch ging. Leider wiederholte sich diese Szene jeden Abend aufs neue. Leise keuchend erreichte er seine Wohnungstür. Er war gerade dabei, seine Jackentasche nach dem Schlüssel zu durchwühlen, als ihm auffiel, daß er ihn gar nicht brauchen würde. Der Türrahmen war in der Höhe des Schlosses zersplittert.
Er stieß die Tür auf. Drinnen war es stockdunkel. Er lauschte angestrengt in die Finsternis, doch das einzige, was er hörte, waren das Gebrüll aus der Wohnung 2A und der Lärm von der Straße. In seinem Appartment war es unheimlich still. Er stellte sein Fahrrad ab und knipste das Licht an.
Im Wohnzimmer herrschte das reinste Tohuwabohu. Seine wenigen Möbel waren umgestoßen, leergeräumt oder zertrümmert. Das kleine Radio, das normalerweise auf dem Schreibtisch stand, war verschwunden. Er schob das Fahrrad ins Zimmer und lehnte es an die Wand. Dann zog er seine Jacke aus, hängte sie über den Lenker und ging zum Schreibtisch. Die Schubladen waren herausgerissen und ausgekippt worden. Mitten in dem Durcheinander auf dem Boden entdeckte er das Fotoalbum. Er bückte sich und nahm es in die Hand. Ängstlich klappte er es auf
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