Montgomery u Stapleton 06 - Crisis
versammelt hatten und fröhlich plaudernd den Abend genossen. Dieser Kontrast machte alles nur noch schlimmer. Vielleicht war es keine gute Idee gewesen, in die Bar zu gehen. Ihm kam der Gedanke, dass es für ihn vielleicht tatsächlich unmöglich war, dank seiner kulturellen Bestrebungen zu einem von ihnen zu werden. Die Medizin und ihre aktuellen Probleme, dieser Arzthaftungs-Schlamassel eingeschlossen, gaben ihn einfach nicht frei.
»Welche Art von Behandlungsfehler sollst du denn gemacht haben?«, formulierte Leona ihre Frage neu.
Craig warf die Hände hoch. »Pass mal auf, Schätzchen! Die Klage ist allgemein gehalten, da steht nur etwas davon, dass ich bei meiner Diagnose und der Behandlung nicht die Fachkenntnis und Sorgfalt angewandt hätte, die ein anständiger, kompetenter Arzt unter den gleichen Umständen aufgebracht hätte … bla bla bla. Kompletter Blödsinn. Um es kurz zu machen, es gab einen unglücklichen Ausgang, Patience Stanhope ist gestorben. Ein auf Körperverletzung und Arzthaftungsrecht spezialisierter Anwalt wird ganz einfach von diesem Punkt ausgehen und sich etwas einfallen lassen. Solche Typen finden immer irgendwas, von dem dann irgend so eine dreckige Prozessnutte von Arzt behauptet, es hätte anders gemacht werden sollen.«
»Schätzchen!«, blaffte Leona zurück. »Sei gefälligst nicht so herablassend!«
»Schon gut, tut mir leid«, sagte Craig. Er atmete tief ein. »Ich bin offensichtlich etwas außer mir.«
»Was ist eine Prozessnutte?«
»Das ist ein Arzt, der sich als so genannter ›Sachverständiger‹ verkauft und alles aussagen wird, was der Anwalt des Klägers hören möchte. Früher war es schwer, Ärzte zu finden, die bereit waren, gegen andere Ärzte auszusagen, aber inzwischen hat sich das geändert. Es gibt ein paar Mistkerle, die sich damit ihren Lebensunterhalt verdienen.«
»Das ist ja furchtbar.«
»Es ist das Allerletzte«, sagte Craig. Niedergeschlagen schüttelte er den Kopf. »Es ist so was von heuchlerisch, dass Jordan Stanhope mich verklagt, wo er doch selbst nicht einmal im Krankenhaus geblieben ist, während ich mich abgemüht habe, seine Frau wiederzubeleben. Teufel noch mal, er hat mir oft genug im Vertrauen gesagt, dass sie eine unverbesserliche Hypochonderin war und er ihre ganzen Symptome gar nicht mehr alle auf die Reihe bekam. Er hat sich sogar bei mir entschuldigt, wenn sie ihn nachts um drei Uhr anrufen ließ und er darauf bestehen musste, dass ich zu ihnen fuhr, weil sie davon überzeugt war, sie müsse sterben. Und das ist nicht nur einmal vorgekommen. Normalerweise rief sie mich abends zu Hausbesuchen und zwang mich, alles andere stehen und liegen zu lassen. Aber selbst dann hat sich Jordan jedes Mal bei mir bedankt, also wusste er ganz genau, was für ein Aufwand das war, vollkommen grundlos zu ihnen hinauszufahren. Diese Frau war eine Katastrophe. Allen geht es besser, seit sie von der Bildfläche verschwunden ist, auch Jordan Stanhope, und trotzdem verklagt er mich auf fünf Millionen Dollar Schadenersatz wegen Verlusts der ehelichen Gemeinschaft. Was für ein grausamer Witz.« Deprimiert schüttelte Craig den Kopf.
»Was bedeutet denn eheliche Gemeinschaft?«
»Alles, was man normalerweise von einem Ehegatten bekommt. Du weißt schon: Gesellschaft, Zuneigung, Unterstützung, Sex.«
»Ich glaube kaum, dass sie viel Sex hatten. Sie hatten getrennte Schlafzimmer!«
»Da hast du wahrscheinlich recht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er mit dieser jämmerlichen alten Vettel Sex haben wollte oder überhaupt dazu in der Lage gewesen wäre.«
»Glaubst du, er verklagt dich, weil du ihn an dem Abend kritisiert hast? Er schien deswegen ziemlich verärgert zu sein.«
Craig nickte zustimmend. An Leonas Worten war etwas dran. Mit seinem Glas rutschte er vom Hocker und ging an die Bar, um sich nachschenken zu lassen. Er dachte über Leonas Vermutung nach und fragte sich, ob sie womöglich recht hatte. Er erinnerte sich daran, dass es ihm leidgetan hatte, was er zu Jordan gesagt hatte, nachdem er in Patience’ Schlafzimmer gekommen war und gesehen hatte, wie schlecht es ihr ging. Die Bemerkung war ihm in der Hektik einfach rausgerutscht. Damals hatte er gedacht, seine hastige Entschuldigung hätte ausgereicht, aber vielleicht war dem nicht so. Und dann würde ihm der Zwischenfall bald noch sehr viel mehr leidtun.
Mit einem zweiten doppelten Scotch bahnte sich Craig den Weg zurück zu ihrem Tisch. Er bewegte sich langsam, als fiele ihm
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