MoR 02 - Eine Krone aus Gras
können, da die Banken die an Rostra und Regia ausgehängten Listen nicht aus den Augen ließen.
Die Delegation entschied sich, nicht den Landweg entlang der Via Egnatia, sondern den Seeweg zu nehmen. Im Juni des darauffolgenden Jahres traf sie in Pergamon ein. Sie wurde von Gaius Cassius Longinus, dem Statthalter der Provinz Asia, mit allen Ehren empfangen.
In Bezug auf Habgier und Skrupellosigkeit stand Gaius Cassius dem Anführer der Gesandtschaft Manius Aquillius in nichts nach, wie beide bald erfreut feststellen konnten. Etwa zu der Zeit, als Titus Didius beim Angriff auf Herculaneum fiel, heckten die beiden Männer unter der heißen Junisonne Pergamons einen Plan aus, dessen Ziel es war, möglichst viel Geld aus den an Pontos angrenzenden, nicht eigentlich unter römischer Herrschaft stehenden Gebieten Paphlagonien und Phrygien herauszuholen.
Die Briefe des Senats an Mithridates von Pontos und Tigranes von Armenien, in denen der Rückzug aus Bithynien und Kappadokien gefordert wurde, wurden von Pergamon aus durch Kuriere zugestellt. Kaum waren die Briefboten losgeritten, ordnete Gaius Cassius zusätzliche militärische Übungsmanöver für seine Freiwilligenlegion an und ließ die Miliztruppen vom anderen Ende der Provinz Asia herbeirufen. Dann brachen die drei Gesandten Aquillius, Manlius und Mallius nach Bithynien auf. Sie wurden von König Nikomedes und einer kleinen Einheit von Soldaten begleitet. König Ariobarzanes blieb unterdessen bei dem auf einmal sehr geschäftigen Statthalter in Pergamon.
Roms Macht tat noch immer ihre Wirkung. König Sokrates verlor seinen Thron wieder an König Nikomedes und zog sich nach Pontos zurück, König Ariobarzanes wurde gebeten, als König nach Kappadokien zurückzukehren. Die drei Gesandten verbrachten den Rest des Sommers in Nikomedeia und bereiteten den Einmarsch nach Paphlagonien vor, jenen Landstrich an der Schwarzmeerküste, der Bithynien von Pontos trennte. Die paphlagonischen Tempel waren reich mit Gold ausgestattet, während Nikomedes, wie die Gesandten enttäuscht hatten feststellen müssen, kaum Gold besaß. Der alte König hatte den größten Teil seines Vermögens im Jahr zuvor auf die Flucht nach Rom mitgenommen, und in Rom war es auf den Bankkonten verschiedener Römer gelandet, von Marcus Aemilius Scaurus, der sich für kleine Geschenke nicht zu schade war, bis zu Manius Aquillius und vielen anderen gierigen Händen.
Die Entdeckung, daß Nikomedes kein Gold mehr besaß, führte unter den drei Gesandten zu Mißstimmung. Manlius und Mallius fühlten sich übers Ohr gehauen, und Aquillius fühlte sich verpflichtet, eine andere Goldquelle für sie aufzutun, damit er sein eigenes Gold in Rom nicht anzubrechen brauchte. Der Leidtragende war natürlich König Nikomedes. Pausenlos wurde er von den drei römischen Adligen gedrängt, Paphlagonien zu überfallen. Die drei drohten ihm sogar mit dem Verlust seines Throns, sollte er ihnen nicht gehorchen. Sie fühlten sich durch die Nachrichten von Gaius Cassius aus Pergamon bestätigt, und Nikomedes mußte schließlich nachgeben und seine bescheidene, aber gut gerüstete Armee mobilisieren.
Ende September marschierten die Gesandten aus Rom und der greise König in Paphlagonien ein. Aquillius befehligte die Armee, der König war nicht viel mehr als ein unerwünschter Gast. Aquillius brannte darauf, König Mithridates seine Macht zu demonstrieren, und er zwang Nikomedes, den Schiffen der bithynischen Flotte, die den thrakischen Bosporus und den Hellespont bewachte, entsprechende Anweisungen zu geben: Kein pontisches Schiff sollte zwischen dem Schwarzen Meer und der Ägäis verkehren dürfen. Wage es nicht, Rom zu trotzen! lautete die Botschaft dieser Maßnahme.
Alles verlief nach Plan. Die bithynische Armee marschierte an der paphlagonischen Küste auf, besetzte Städte und plünderte Tempel. Immer höher häuften sich Gold und Gerätschaften, auch als sich die große Hafenstadt Amastris ergab; und Pylaimenes, der im Hinterland von Paphlagonien das Sagen hatte, vereinigte seine Truppen mit der römischen Armee. In Amastris beschlossen die drei Römer, nach Pergamon zurückzukehren. Der arme alte König und seine Armee mußten den Winter irgendwo zwischen Amastris und Sinope in bedrohlicher Nähe zur pontischen Grenze verbringen.
Mitte November erhielten die römischen Herren Besuch von einer offiziellen Abordnung des Königs Mithridates, der sich bis zu diesem Zeitpunkt weder geäußert noch sonst gerührt
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