MoR 02 - Eine Krone aus Gras
wieder den alten Wohlstand verschaffen. Wir dürfen nicht zusehen, wie die Volkstribunen Amok laufen. Der Status quo, wie ich ihn geschaffen habe, muß erhalten bleiben! Nur dann wird Rom sich erholen. Wir können keine Torheiten im Stil Sulpicius’ dulden!«
Sulla sah die neugewählten Konsuln an. »Morgen, Gnaeus Octavius und Lucius Cinna, werdet ihr mein Amt und das Amt meines toten Kollegen Quintus Pompeius übernehmen. Meine Zeit als Konsul ist dann zu Ende. Gnaeus Octavius, gibst du mir dein Ehrenwort darauf, daß du meine Gesetze beibehalten wirst?«
Octavius zögerte nicht einen Augenblick. »Ja, Lucius Sulla. Ich gebe dir mein Ehrenwort darauf.«
»Lucius Cornelius Cinna, gibst du mir dein Wort darauf, daß du meine Gesetze beibehalten wirst?«
Cinna sah Sulla ohne Furcht ins Gesicht. »Das kommt darauf an, Lucius Cornelius Sulla. Ich werde deine Gesetze beibehalten, wenn sie sich beim Regieren als brauchbar erweisen. Im Augenblick bin ich mir da nicht so sicher. Das Räderwerk unseres Staates ist so unglaublich alt und so offensichtlich schwerfällig, und die Rechte vieler römischer Bürger wurden — anders kann ich es nicht ausdrücken — annulliert. Es tut mir leid, aber wie die Dinge stehen, kann ich dir mein Versprechen nicht geben.«
Sullas Gesicht veränderte sich plötzlich. Wie andere vor ihnen sahen die Senatoren jenes Geschöpf mit gespreizten Krallen, das in Lucius Cornelius Sulla lauerte, und auch die Senatoren vergaßen diesen kurzen Augenblick nie. Wann immer sie sich in den folgenden Jahren daran erinnerten, erschauerten sie.
Bevor Sulla noch den Mund aufmachen konnte, um zu antworten, fuhr der Pontifex Maximus Scaevola dazwischen.
»Lucius Cinna, ich bitte dich!« Scaevola wußte noch gut, wie er das wilde Tier in Sulla zum ersten Mal gesehen hatte. Kurz darauf hatte der Marsch nach Rom begonnen. »Ich flehe dich an, gib dem Konsul dein Wort!«
Antonius Orator ließ sich vernehmen: »Wenn du dich widersetzt, Cinna, solltest du immer auf Rückendeckung achten! Unser Konsul Lucius Cato hat das nicht getan und ist nun tot.«
Neue wie alte Senatoren begannen unruhig zu flüstern, die meisten schienen einen Streit zu fürchten. Warum konnten die Konsuln ihren Ehrgeiz nicht einmal beiseite lassen? Sahen sie nicht, wie dringend Rom Frieden und innere Stabilität brauchte?
»Ruhe!« sagte Sulla. Er sagte es nur einmal und nicht einmal besonders laut, aber da das wilde Tier noch immer in seinen Augen lauerte, trat augenblicklich Stille ein.
»Konsul, darf ich etwas sagen?« fragte Catulus Caesar. Auch er wußte noch, wann er Sulla zum ersten Mal so gesehen hatte: kurz vor dem Rückzug aus Tridentum.
»Sprich, Quintus Lutatius.«
»Zunächst möchte ich etwas zu Lucius Cinna bemerken«, sagte Catulus Caesar kühl. »Man wird ihn wohl beobachten müssen. Ich bedaure seine Wahl in ein Amt, in dem er sich meiner Ansicht nach nicht bewähren wird. Lucius Cinna mag sich im Krieg ausgezeichnet haben, aber er hat wenig politisches Verständnis und eigenartige Vorstellungen davon, wie Rom regiert werden sollte. Als Stadtprätor hat er nicht eine einzige der dringend nötigen Maßnahmen ergriffen. Beide Konsuln waren im Feld, aber Lucius Cinna — praktisch für die Regierungsgeschäfte Roms verantwortlich! — tat nichts, um die schlimme wirtschaftliche Not zu lindern. Hätte er das damals getan, stünde es heute vielleicht besser um Rom. Dennoch will Lucius Cinna, der neugewählte Konsul, heute einem klügeren und fähigeren Mann sein Versprechen nicht geben, obgleich er zum Wohle Roms und des Senats darum gebeten wurde.«
»Nichts, was du gesagt hast, überzeugt mich, deshalb werde ich meine Meinung nicht ändern, Quintus Lutatius«, sagte Cinna barsch.
»Das merke ich.« Catulus Caesar zeigte sich jetzt von seiner arrogantesten Seite. »Ich bin in der Tat fest davon überzeugt, daß niemand von uns irgend etwas sagen könnte, was deine Meinung ändern würde. Du machst dir schnell eine Meinung, so schnell, wie auch dein Geldbeutel zugeschnürt war, nachdem du das Geld darin verstaut hattest, das Gaius Marius dir gab, um den Namen seines Sohnes vom Vorwurf des Mordes reinzuwaschen!«
Cinna errötete. Er haßte diesen Vorwurf, konnte jedoch nichts dagegen machen.
»Es gibt allerdings einen Weg, wie wir Senatoren sicherstellen können, daß Lucius Cinna sich an die Maßnahmen hält, die unser Konsul mit so großer Umsicht ergriffen hat«, sagte Catulus Caesar. »Ich schlage vor, daß wir
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