MoR 03 - Günstlinge der Götter
zu schmerzen, so daß er nicht einschlafen konnte, wenn er sich hinlegte. Die Schmerzen krochen die Knöchel und Waden hoch, deshalb fügte er seiner gewöhnlichen Kost einen schweren und sehr süßen Wein hinzu, der ihn schlafen ließ. Eines Tages jedoch fing er plötzlich an, stark zu schwitzen. Er schnappte nach Luft und verlor während der darauffolgenden Tage so viel Gewicht, daß er schon fürchtete, es werde überhaupt nichts mehr von ihm übrigbleiben. Er trank flaschenweise Wasser, doch er blieb immer durstig. Und was ihn am meisten entsetzte: Seine Augen begannen zu versagen!
Die meisten Symptome hatten aufgrund der Behandlung in Aedepsus nachgelassen oder waren verschwunden. An sein verwüstetes Gesicht wagte er freilich nicht zu denken, er, der in seiner Jugend so schön gewesen war, daß Frauen und Männer seinetwegen den Kopf verloren. Geblieben war sein Bedürfnis nach Wein. Auch die heilkundigen Priester von Aedepsus hatten ihm das nicht austreiben können, ihn aber wenigstens dazu überredet, den süßen, durch Alkoholzusatz noch verstärkten Wein durch einen derart sauren Wein zu ersetzen, daß er ihn nur mit einer Grimasse trinken konnte. Wurde er nicht vom Juckreiz geplagt, hatte er seinen Weinkonsum so weit unter Kontrolle, daß er noch klar denken konnte. Der Wein beflügelte seine Gedanken sogar — jedenfalls redete er sich das ein.
»Ofella und Catilina behalte ich bei mir«, sagte er zu Crassus und Metellus Pius, während er die Flasche wieder verschloß. »Aber Verres macht seinem Namen alle Ehre — er ist unersättlich wie ein Eber. Ich schicke ihn für einige Zeit nach Beneventum zurück. Dort soll er den Nachschub organisieren und uns den Rücken decken.«
Metellus kicherte. »Das gefällt ihm sicher, dem Freundchen.«
Crassus grinste. »Und Cethegus?«
»Cethegus behalte ich vorerst«, sagte Sulla. Er wollte nach dem Wein greifen, zog die Hand aber wieder zurück. »Er soll in der Campania nach dem Rechten sehen.«
Kurz bevor Sullas Heer bei Casilinum über den Volturnus setzte, schickte er sechs Gesandte zu Gaius Norbanus, dem fähigeren der beiden Carbo hörigen Konsuln. Norbanus hatte acht Legionen aufmarschieren lassen, um Capua zu verteidigen. Als Sullas Gesandte mit einer Parlamentärflagge erschienen, ließ er sie einsperren, ohne anzuhören, was sie zu sagen hatten. Dann marschierte er mit seinen Legionen in die Ebene vor Capua am Fuß des Berges Tifata. Sulla war wütend über die schimpfliche Behandlung seiner Gesandten und beschloß, Norbanus eine Lektion zu erteilen, die dieser so schnell nicht vergessen würde. Er ließ seine Truppen die Flanke des Berges hinunterstürmen und den ahnungslosen Norbanus angreifen. Norbanus war besiegt, noch ehe die Schlacht richtig begonnen hatte, und zog sich nach Capua zurück. Dort ordnete er seine in panischem Schrecken geflohenen Männer, schickte zwei Legionen nach Neapolis, um den Hafen für Carbo zu halten, und bereitete sich auf eine Belagerung vor.
In Capua war man den gegenwärtigen Machthabern in Rom freundlich gesonnen. Der Volkstribun Marcus Junius Brutus hatte ein Gesetz vorgelegt, nach dem Capua zu einer römischen Stadt wurde, und das hatte in Capua, das von Rom im Lauf der Jahrhunderte immer wieder wegen verschiedener Aufstände bestraft worden war, große Begeisterung hervorgerufen. Norbanus konnte daher sicher sein, daß er und seine Armee in Capua freundliche Aufnahme finden würden. Außerdem war die Stadt daran gewöhnt, römische Legionen zu beherbergen.
»Wozu brauchen wir Neapolis, wenn wir Puteoli haben«, sagte Sulla zu Pompeius und Metellus Pius, als sie nach Teanum Sidicinum ritten, »und wozu brauchen wir Capua, wenn wir Beneventum haben. Ich muß eine Vorahnung gehabt haben, als ich Gaius Verres dorthin schickte.« Er hielt einen Augenblick inne, dachte nach und nickte, als wolle er seine Gedanken bestätigen. »Cethegus bekommt eine neue Aufgabe. Er soll als Legat den Nachschub befehligen. Das wird seine diplomatischen Fähigkeiten herausfordern!«
»Dieser Feldzug zieht sich ewig hin«, sagte Pompeius verärgert. »Warum marschieren wir nicht nach Rom?«
Sulla sah ihn so freundlich an, wie seine Krankheit es erlaubte. »Habe Geduld, Pompeius! Vom Krieg verstehst du viel, von Politik viel zu wenig. Auch wenn du dieses Jahr sonst nichts lernst, erfährst du wenigstens etwas über politisches Taktieren. Bevor wir nach Rom marschieren, müssen wir der Stadt zeigen, daß sie unter ihren gegenwärtigen
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