MoR 03 - Günstlinge der Götter
vorzog, allein zu schlafen, war sie selbst in ihrem Schlafgemach ohne Gesellschaft und empfand die Stille als bedrückend.
Ihr Eheleben schien nur eine Variation des Zustandes, der sie seit ihrer Kindheit verfolgte. Niemandem war sie wichtig, niemand beachtete sie. Ihre einzige Möglichkeit, Beachtung zu erzwingen, bestand darin, sich gemein, gehässig und bösartig zu betragen, und diese Seite an ihr bekamen alle Bediensteten zu spüren. Ihrem Ehemann gegenüber gab sie sich freilich unfehlbar liebenswürdig, da sie nur zu gut wußte, daß er sie nicht liebte und die Gefahr einer Scheidung ständig drohte.
Seinen ehelichen Pflichten kam Brutus immerhin nach, und zwei Jahre nach ihrer Hochzeit war Servilia schwanger. Ihr Körper war wie der ihrer Mutter wie geschaffen dazu, Kinder zu gebären, und sie litt kein bißchen. Auch die Wehen waren nicht so schlimm, wie man sie glauben gemacht hatte, und sieben Stunden nach deren Einsetzen schenkte sie in einer eisigen Märznacht einem Sohn das Leben. So gut ging es ihr, daß sie ihr Kind, kaum daß es gewaschen war, in ihre Arme schließen und sich ihrem neuen Glück hingeben konnte.
Kein Wunder, daß der kleine Brutus bald schon Dreh- und Angelpunkt in dem liebesentwöhnten Leben seiner Mutter wurde. Keine andere Frau durfte ihn säugen, sie kümmerte sich ganz allein um ihn, stellte seine Krippe in ihr Schlafgemach und widmete sich ihm so ausschließlich, daß ihr sonst alles egal war.
Weshalb also kauerte Servilia an diesem eisigen Novembertag auf der Kolonnade und belauschte ihren Mann? Bestimmt nicht, weil sie sich um das politische Fortkommen ihres Mannes sorgte. Sie lauschte, weil er der Vater ihres innig geliebten Kindes war und sie sich geschworen hatte, das Erbe, das Ansehen und das Wohlergehen ihres Sohnes abzusichern. Also mußte sie alles wissen, durfte ihr nicht die kleinste Kleinigkeit entgehen. Ganz besonders nicht, wenn es sich um die politischen Aktivitäten ihres Mannes handelte.
Servilia mochte Carbo nicht, obwohl sie erkannte, daß er kein Leichtgewicht war. Aber sie schätzte ihn ganz richtig als einen Mann ein, der seine persönlichen Interessen vor die Roms setzte. Ob Brutus weitsichtig genug war, Carbos Schwächen zu erkennen, bezweifelte sie. Sullas Gegenwart in Italien beunruhigte Servilia sehr, denn sie verstand in politischen Zusammenhängen zu denken und konnte die Entwicklung zukünftiger Ereignisse besser einschätzen als die meisten der Männer, welche die Hälfte ihres Lebens im Senat gesessen hatten. Und sie war überzeugt, daß Carbo nicht über genügend innere Stärke verfügte, um Rom gegen einen Mann wie Sulla zu einigen.
Servilia löste ihren Blick von den beiden Männern, kniete wieder auf den bitterkalten Terrazzoboden und legte ihr Ohr an den Fensterladen. Es fing an zu schneien — eine günstige Fügung. Die Flocken bildeten einen Schleier zwischen ihrem zusammengekauerten Körper und dem geschäftigen Treiben am anderen Ende des Gartens, wo sich die Küche befand und die Bediensteten aus- und eingingen. Nicht daß sie befürchtet hätte, entdeckt zu werden, denn die Dienerschaft würde es niemals wagen, ihr Recht, sich dort aufzuhalten, wo es ihr beliebte, in Frage zu stellen. Es ging ihr vielmehr darum, den Bediensteten als eine Art übermenschliches Geschöpf zu erscheinen, und übermenschliche Geschöpfe kauerten nicht unter geöffneten Fenstern und belauschten ihre Männer.
Plötzlich spannte sich ihr Körper an, und sie preßte ihr Ohr noch näher gegen den Fensterladen. Carbo und ihr Mann sprachen wieder.
»Unter denen, die für das Amt eines Prätors kandidieren können, finden sich ein paar gute Männer«, sagte Brutus. »Carrinas und Damasippus sind ebenso talentiert wie beliebt.«
»Ha!« rief Carbo. »Genau wie ich haben sie sich von einem bartlosen Jüngling auf dem Feld schlagen lassen. Im Unterschied zu mir aber waren sie gewarnt, daß Pompeius ebenso unerbittlich ist wie sein Vater und zehnmal listenreicher. Wenn Pompeius sich zum Prätor aufstellen lassen würde, gewänne er mehr Stimmen als Carrinas und Damasippus zusammen.«
»Die Veteranen verhalfen Pompeius zum Sieg«, sagte Brutus beschwichtigend.
»Vielleicht. Aber immerhin hat Pompeius sie ihre Arbeit ungestört verrichten lassen.« Doch es gab Wichtigeres zu besprechen als Pompeius, und Carbo wechselte das Thema. »Wer Prätor wird, ist mir ziemlich egal, Brutus. Was mir wirklich Kopfzerbrechen macht, ist das Konsulat. Wenn es sein muß,
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