MoR 03 - Günstlinge der Götter
das junge Mädchen, welches die Säuglingswäsche besorgte, die seltene Gelegenheit dazu benutzt hatte, den kleinen Brutus in ihren Armen zu wiegen.
Glühende Eifersucht flammte in Servilia auf. Und ehe sie sich zusammenreißen konnte, holte sie aus und schlug das Mädchen so hart auf die Wange, daß es sein Gleichgewicht verlor und den kleinen Brutus fallen ließ. Geistesgegenwärtig riß Servilia ihr Kind an sich, bevor es auf den Boden fiel. Ihn mit aller Kraft an ihre Brust pressend, schlug Servilia auf das Mädchen ein, bis es sich aus dem Zimmer geschleppt hatte.
»Morgen wirst du verkauft«, schrie sie ihm durch den Säulengang hinterher. Dann, in verändertem Tonfall: »Ditus! Ditus!«
Der Hausverwalter, dessen Name eigentlich Epaphroditus lautete, kam herbeigeeilt. »Ja, domina?«
»Dieses Mädchen, die Gallierin, die du mir für die Säuglingswäsche zugeteilt hast, peitsche sie aus und verkaufe sie als Sklavin der untersten Kategorie.«
»Aber domina, sie ist hervorragend. Sie wäscht nicht nur gut, sie liebt das Kind auch von ganzem Herzen.«
Servilia schlug Epaphroditus ebenso hart wie zuvor das Mädchen und stellte dann unter Beweis, daß auch sie wußte, wie man ausgesuchte Schimpfwörter gebrauchte.
»Hör mir gut zu, du gestopfter, vollgefressener griechischer Fellator! Wenn ich dir einen Befehl erteile, dann hast du ohne ein weiteres Wort, ganz zu schweigen von einer Widerrede, zu gehorchen. Es ist mir völlig egal, wem du gehörst, und solltest du es wagen, dich bei deinem Herrn zu beklagen, wirst du es bitter bereuen. Jetzt bring das Mädchen in dein Büro und warte dort auf mich. Du magst es, also wirst du es nicht hart genug peitschen, wenn ich nicht daneben stehe und zusehe.«
Auf seiner Wange konnte man den rot angelaufenen Abdruck jedes einzelnen ihrer Finger erkennen. Aber weniger das als ihre Worte jagten Epaphroditus Todesangst ein. Er stürzte los.
Servilia verlangte nach keiner anderen Dienerin, sondern wik- kelte den kleinen Brutus selbst in einen weichen Wollschal und trug ihn mit sich in das Büro des Verwalters. Das Mädchen wurde festgebunden, und der heulende Epaphroditus mußte es unter den unerbittlichen Blicken seiner Herrin peitschen, bis sein Rücken wie hellroter Brei aussah und das Fleisch in Fetzen herunterhing. Die Schreie, die aus dem Zimmer hinausdrangen, wurden auch von dem immer noch fallenden Schnee nicht gedämpft. Doch kein Brutus kam, um zu sehen, was hier vor sich ging, er war, wie Servilia richtig vermutet hatte, mit Carbo zu dem jungen Marius aufgebrochen.
Schließlich winkte Servilia, und Epaphroditus’ Arm fiel kraftlos nieder. Sie trat näher und besah sich das Werk ihres Verwalters genauer. »Gut«, nickte sie zufrieden. »Auf dieser Fleischwüste wird ihr nie mehr Haut wachsen. Wozu sie also verkaufen, sie würde uns keinen Sesterz mehr einbringen. Kreuzige sie draußen im Peristyl, sie soll den anderen als Warnung dienen. Aber brich ihr nicht die Beine, ich will, daß sie langsam stirbt.«
Damit ging Servilia in ihr Arbeitszimmer zurück, wickelte ihren Sohn aus dem Schal und wechselte seine Leinenwindel. Dann setzte sie ihn auf ihre Knie und hielt ihn auf Armeslänge von sich, um ihn zu bewundern. Sie neigte sich vor, küßte ihn sanft und sprach immer wieder mit einer sanften, leicht schnurrenden Stimme zu ihm.
Sie gaben ein hübsches Bild ab, das kleine, dunkelhaarige Kind auf den Knien seiner zierlichen, ebenso dunkelhaarigen Mutter. Servilia war eine Schönheit, gesegnet mit einer üppigen Figur und einem jener kleinen, spitzen Gesichter, die hinter ihren reglosen Lippen und stark geschminkten, mit Lidschatten belegten Augen unzählige kleine Geheimnisse zu verbergen scheinen. Das Kind aber besaß nur die Schönheit eines Säuglings, in Wahrheit war es eher unscheinbar und träge, genau das, was die Leute »ein braves Kind« nannten. Er schrie kaum und bereitete auch sonst kaum Umstände.
So fand Brutus sie vor, als er von dem Besuch beim jungen Marius zurückkehrte. Er hörte sich Servilias mit kühler Stimme vorgetragenen Bericht über die nachlässige Waschfrau und ihre Bestrafung kommentarlos an. Da er es niemals gewagt hätte, in Servilias häusliches Walten und Schalten einzugreifen — seit seiner Heirat mit ihr wurde sein Haushalt besser als je zuvor geführt —, verfügte er auch keine Änderung der von ihr verhängten Strafe und verlor dem Verwalter gegenüber kein Wort über die schneebedeckte Figur, die an einem Kreuz im
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