MoR 03 - Günstlinge der Götter
aussehender Mann; seine Söhne aber schlugen ihrer Mutter nach, einer riesenhaften Keltin aus dem Ager Gallicus. Wer Lucius Decumius nicht näher kannte, hätte niemals vermutet, was für Eigenschaften in ihm schlummerten; er war mutig, überaus spitzfindig, treu ergeben, sehr intelligent — und ziemlich verdorben.
Die Gesichter der drei Decumii leuchteten auf, als Caesar eintrat, aber nur Lucius Decumius erhob sich. Er schob sich zwischen den Tischen und Bänken hindurch und stellte sich, kaum daß er vor Caesar stand, auf die Zehenspitzen, um ihm einen Kuß auf die Lippen zu drücken, in dem mehr Zuneigung lag, als er seinen eigenen Söhnen entgegenbrachte. Es war der Kuß eines Vaters, obwohl er dem, dem er ihn auf die Lippen drückte, nur mit dem Sehnen seines großen Herzens verbunden war.
»Mein Junge!« rief er aus und ergriff Caesars Hand.
»Tag, Vater«, antwortete Caesar lächelnd, ergriff Lucius Decumius’ Hand und legte sie an seine kalte Wange.
»Hast du das Haus eines toten Mannes gefegt?« fragte Lucius Decumius in Anspielung auf Caesars priesterliche Amtstracht. »Ein Scheißwetter zum Sterben. Nimm einen Schluck Wein zum Aufwärmen.«
Caesar zog eine Grimasse. Er hatte, allen Bemühungen von Lucius Decumius und seinen Brüdern zum Trotz, keine besondere Vorliebe für Wein entwickelt. »Keine Zeit, Vater. Ich will mir nur ein paar deiner Brüder ausleihen. Ich muß meine Mutter und meine Schwestern zum Haus des Gaius Marius bringen, und natürlich trauen sie mir nicht zu, das allein bewerkstelligen zu können.«
»Eine kluge Frau, deine Mutter«, sagte Lucius Decumius und lächelte schadenfroh. Er nickte seinen beiden Söhnen zu, die sich sofort erhoben und herbeieilten. »Werft euch was über, Burschen. Wir bringen die Frauen zum Haus des Gaius Marius.«
Die beiden Jungen waren nicht im geringsten eifersüchtig angesichts der eindeutigen Vorliebe ihres Vaters für Gaius Julius Caesar. Sie nickten nur und versetzten Caesar einen freundschaftlichen Klaps auf den Rücken, bevor sie sich davonmachten, ihre wärmsten Gewänder hervorzuholen.
»Bleib du hier, Vater«, sagte Caesar. »Draußen ist es eisig kalt.«
Aber das sah Lucius Decumius nicht ähnlich, und er ließ sich von seinen Söhnen so sorgsam einpacken, wie es wohl eine besorgte Mutter mit ihrem Säugling getan hätte. »Wo ist dieser Dummkopf von Burgundus?« rief er, als sie in das Schneetreiben hinaustraten.
»Burgundus?« Caesar lachte. »Der ist im Moment zu nichts zu gebrauchen. Mater hat ihn mit Cardixa nach Bovillae geschickt. Cardixa mag spät mit dem Kinderkriegen angefangen haben, aber seit sie Burgundus erobert hat, hat sie Jahr für Jahr einen Riesensäugling in die Welt gesetzt. Das wird jetzt die Nummer vier sein, aber das weißt du ja alles.«
»Nun, so wird es dir, wenn du einmal Konsul bist, niemals an Leibwächtern mangeln.«
Ein Schauer durchlief Caesars Körper. »Jch werde niemals Konsul werden«, entgegnete er barsch. Dann zog er seine Schultern hoch und versuchte, freundlich zu sein. »Meine Mutter sagt, sie komme sich vor, als füttere sie eine Familie von Titanen. Ihr Götter, was die verschlingen!«
»Aber es sind gute Leute.«
»Ja, das sind sie.«
Inzwischen standen sie vor der Tür zu Aurelias Wohnung und versammelten die Frauen um sich. Die meisten adligen Frauen hätten sich, zumal bei solch einem Wetter, wohl für eine Sänfte entschieden, nicht so aber die weiblichen Angehörigen der Julier. Sie gingen zu Fuß, wobei ihnen die Söhne von Lucius Decumius die Fauces Suburae hinunter vorauseilten und einen Weg durch den sich immer höher anhäufenden Schnee bahnten.
Das Forum Romanum lag völlig verlassen da. Es herrschte eine eigenartige Stimmung auf dem Platz; die sonst so farbenprächtigen Säulen, Wände, Dächer und Statuen standen im reinsten Marmorweiß da, versunken in einen tiefen und traumlosen Schlaf. Auf dem Gesicht der monumentalen Statue des Gaius Marius neben der Rostra hatte sich über den buschigen Augenbrauen Schnee angesammelt und milderte den stechenden Ausdruck seiner dunklen Augen.
Sie mühten sich den Bankiershügel hinauf, durch die Porta Fontinalis hindurch bis vor die Tür von Gaius Marius’ Haus. Da das Peristyl sich im rückwärtigen Teil des Anwesens befand, betraten sie direkt das Empfangszimmer, wo sie, mit Ausnahme von Caesar, der seine Amtstracht anbehalten mußte, ihre Obergewänder ablegten. Strophantes, der Verwalter, nahm Lucius Decumius und seine Söhne
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