Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
MoR 03 - Günstlinge der Götter

MoR 03 - Günstlinge der Götter

Titel: MoR 03 - Günstlinge der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
Vom Netzwerk:
beiseite und verköstigte sie mit ausgesuchten Speisen und Weinen, während Caesar und die Frauen sich in das Atrium begaben.
    Wäre das Wetter nicht so unnatürlich kalt gewesen, dann wären sie wohl hier geblieben, denn die Zeit des Abendessens war bereits vorüber. Aber die rechteckige Öffnung des compluvium im Dach wirkte wie ein Luftstrudel, und auf dem Wasser des darunterliegenden Beckens glitzerten die Schneeflocken kurz auf, bevor sie schmolzen.
    Der junge Marius begrüßte sie und führte sie in das Speisezimmer, wo es, wie er sagte, wärmer sei. Er sah gut aus, ja strahlte geradezu vor Glück, stellte Caesar fest. Marius war ebensogroß wie er, sein Vetter ersten Grades, dabei aber von massiverer Statur, mit blondem Haar und grauen Augen, gutaussehend und beeindruckend. Vom Äußeren her viel anziehender als sein Vater, ging ihm doch jenes gewisse Etwas ab, das Gaius Marius in den Rang eines der unsterblichen Römer erhoben hatte. Es würde noch viele Generationen dauern, bis nicht mehr jedes Schulkind von den Errungenschaften des Gaius Marius hören würde. Ein solches Schicksal war seinem Sohn, dem jungen Marius, nicht vorherbestimmt.
    Caesar haßte es, hierherzukommen. Zuviel war in diesem Haus geschehen. Während andere Jungen in seinem Alter auf dem Marsfeld gespielt hatten, hatte er sich jeden Tag hier melden, den alten, langsam genesenden Gaius Marius pflegen und ihm Gesellschaft leisten müssen. Und obgleich er nach Gaius Marius’ Tod jeden Winkel des Hauses mit seinem geheiligten Besen gefegt hatte, hing dessen böser Geist immer noch in der Luft. Zumindest empfand er das so. Einst hatte er Gaius Marius geliebt und bewundert, doch dann hatte dieser ihn zum Jupiterpriester ernannt und so auf einen Schlag verhindert, daß Caesar jemals zum Rivalen werden konnte. Kein Eisen, keine Waffen, niemals dem Tod ins Angesicht blicken—keine Soldatenkarriere für den Jupiterpriester. Eine automatische Mitgliedschaft im Senat, aber ohne das Recht, sich zur Wahl für ein Amt aufstellen zu lassen — keine politische Karriere für den Jupiterpriester. Es war Caesars Schicksal, geehrt zu werden, ohne die Ehre verdient zu haben, bejubelt zu werden, ohne den Jubel zu verdienen. Der Jupiterpriester war ein Geschöpf des Staates, gehörte dem Staat, wurde von ihm gefüttert und bezahlt, war ein Gefangener des mos maiorum, der überlieferten Praktiken von Sitte und Tradition.
    Aber Caesars düstere Stimmung war in dem Moment wie weggeblasen, als er seine Tante Julia erblickte, die Schwester seines Vaters, die Witwe des Gaius Marius und, abgesehen von seiner Mutter, die Person auf der Welt, die er am innigsten liebte. Ja, würde man Liebe als das plötzliche Aufwallen eines Gefühls bezeichnen, dann liebte er sie sogar mehr als seine Mutter. Mit seiner Mutter war er mehr geistig verbunden: Sie verehrte ihn, stritt sich mit ihm, kritisierte ihn und war seine vertraute Gefährtin. Tante Julia aber schloß ihn in ihre Arme, küßte ihn auf die Lippen, strahlte ihn mit ihren weichen grauen Augen an, in denen nie auch nur die geringste Spur einer Anklage lag. Ein Leben ohne die beiden Frauen konnte Caesar sich nicht vorstellen.
    Julia und Aurelia nahmen auf derselben Liege Platz, was ihnen etwas Unbehagen bereitete, da die herrschenden Gebräuche es den Frauen verboten, sich auf Liegen bequem auszustrecken. So saßen sie auf der Liegefläche, während ihre Füße in der Luft baumelten und ihr Rücken keine Lehne zum Halt fand.
    »Kannst du den Frauen nicht Stühle zum Sitzen bringen lassen?« wandte sich Caesar an den jungen Marius, während er seiner Mutter und seiner Tante Kissen unterschob.
    »Danke, Vetter. Jetzt, mit den Kissen, wird es schon gehen«, warf Julia, wie immer um Frieden bemüht, ein. »Ich glaube kaum, daß es hier im Haus Stühle für uns alle gibt. Schließlich ist das eine Konferenz der Frauen.«
    Damit hatte sie unbestreitbar recht, mußte Caesar zugestehen, denn das männliche Element der Familie beschränkte sich auf Caesar und den jungen Marius, beide die einzigen Söhne von Vätern, die schon seit einiger Zeit tot waren.
    Rom hätte das Schauspiel, Julia und Aurelia, zwei der schönsten Frauen der Stadt, nebeneinander sitzen zu sehen, unendlich genossen. Beide Frauen waren schlank und hochgewachsen, aber Julia war die angeborene Graziosität ihrer Familie zugefallen, während Aurelias Bewegungen eher knapp und unelegant ausfielen. Die eine, Julia, besaß weiches blondgewelltes Haar und weit

Weitere Kostenlose Bücher