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MoR 03 - Günstlinge der Götter

MoR 03 - Günstlinge der Götter

Titel: MoR 03 - Günstlinge der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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offene, graue Augen; die andere, Aurelia, hatte glattes braunes Haar, dunkle Wimpern und tiefliegende Augen, von denen viele ehemalige Freier behaupteten, sie seien purpurfarben, und das Profil einer griechischen Göttin. Kein Wunder also, daß sie in ihrer Jugend oft mit der schönen Helena verglichen worden war.
    Julia war fünfundvierzig Jahre alt, Aurelia vierzig. Beide waren unter sehr unglücklichen, wenn auch sehr unterschiedlichen Umständen zu Witwen geworden. Gaius Marius war an seinem dritten und schwersten Schlaganfall gestorben, aber nicht ohne zuvor noch eine Orgie des Mordens zu inszenieren, die Rom nicht so schnell vergessen würde. Alle seine Feinde — und auch einige seiner Freunde — mußten ihr Leben lassen, und auf der Rostra staken die Köpfe so dicht wie Nadeln auf einem Nadelkissen. Mit dieser Last mußte Julia leben.
    Aurelias Ehemann hatte Cinna auch nach dem Tod des Marius noch die Treue gehalten, wie es sich für einen Mann gehörte, dessen Sohn mit Cinnas jüngerer Tochter verheiratet war. Er war für Cinna nach Etruria gezogen, um Truppen auszuheben. Eines schönen Sommermorgens kniete er sich in Pisa nieder, seinen Schuh zuzubinden, und fiel tot um. Der Befund der Obduktion lautete auf ein geplatztes Blutgefäß im Kopf; ohne daß ein Mitglied seiner Familie anwesend war, wurde er auf einem Scheiterhaufen eingeäschert. Die Asche wurde an seine Frau nach Rom geschickt, die noch nicht einmal wußte, daß ihr Ehemann tot war, bis Cinnas Bote mit der Begräbnisurne vor ihr stand. Was in dieser Zeit in ihr vorging, wußte niemand, nicht einmal ihr Sohn, der einen Monat vor seinem fünfzehnten Geburtstag zum Familienoberhaupt ernannt wurde. Niemand hat sie auch nur eine Träne vergießen sehen; und ihr Gesichtsausdruck hatte sich kein bißchen verändert. So war sie, Aurelia, zugeknöpft bis obenhin; ihr schien die Arbeit als Besitzerin eines umtriebigen Mietshauses mehr zu bedeuten als jedes lebende Wesen, von ihrem Sohn einmal abgesehen.
    Der junge Marius besaß keine Geschwister, aber Caesar hatte zwei ältere Schwestern. Beide sahen ihrer Tante Julia sehr ähnlich, aber kaum ihrer Mutter Aurelia, deren Züge sich dafür um so mehr in Caesars Gesicht widerspiegelten.
    Julia Major, genannt Lia, war zwar erst einundzwanzig Jahre alt, aber wer genau hinsah, konnte in ihrem Blick einen leichten Kummer erkennen. Und das nicht ohne Grund. Ihr erster Ehemann, ein Habenichts von einem Patrizier namens Lucius Pinarius, war ihre große Liebe gewesen, und so hatte man ihr, wenn auch zögerlich, erlaubt, ihn zu ehelichen. Kaum ein Jahr später erblickte ein Sohn das Licht der Welt, doch kurz darauf starb Lucius Pinarius unter mysteriösen Umständen. Eine Fehde unter Kumpanen wurde allgemein dahinter vermutet, aber ein Beweis dafür ließ sich nicht erbringen. So war die neunzehnjährige Lia Witwe geworden und lebte in solch ärmlichen Umständen, daß sie wieder unter das Dach ihrer Mutter zurückkehren mußte. Doch in der Zwischenzeit war die Rolle des pater familias auf Caesar übergegangen, und sie mußte entdecken, daß ihr jüngerer Bruder nicht annähernd so weichherzig oder beeinflußbar war, wie es ihr Vater gewesen war. Daß sie wieder heiraten mußte, verstand sich von selbst, aber diesmal hatte es ein Mann nach Caesars Geschmack zu sein.
    »Sonst suchst du dir doch nur wieder irgendeinen Schwachkopf aus«, hatte er ihr mitleidlos vorgehalten.
    Wie Caesar es angestellt hatte, Quintus Pedius, einen trägen und aufrechten campanischen Ritter aus guter, wenn auch nicht adliger Familie, aufzutreiben, wußte niemand so recht. Einige vermuteten, er habe die Sache gemeinsam mit Lucius Decumius ausgeheckt, der zwar nur ein kleiner Halunke aus der vierten Klasse war, aber über erstaunliche Kontakte verfügte. Jedenfalls kam er eines Tages mit Quintus Pedius nach Hause und verlobte seine älteste Schwester mit ihm. Zwar konnte man Quintus nicht gerade gutaussehend nennen, aber dafür war er kolossal reich und fast bis zur Peinlichkeit dankbar dafür, eine junge und schöne Frau aus den höchsten Kreisen der patrizischen Nobilität ehelichen zu dürfen. Lia hatte ihrem fünfzehnjährigen Bruder einen Blick zugeworfen, einmal leer geschluckt und sich gefügt. Selbst in diesem Alter verfügte Caesar über die Fähigkeit, seinem Gesicht und seinen Augen einen Ausdruck zu verleihen, der jeden Widerspruch bereits im Keim erstickte.
    Glücklicherweise entwickelte sich die Ehe gut. Lucius Pinarius mochte

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