MoR 03 - Günstlinge der Götter
Schnell hatte sich herumgesprochen, daß Caesar über mächtige Waffen verfügte und über das Wissen, sie bestmöglich einzusetzen.
Mucia Tertia interessierte Caesar vor allem wegen ihrer geheimnisvollen Aura. Denn so sehr er sich auch bemühte, sie war der einzige Mensch, auf dessen Grund er nicht sehen konnte. Sie lächelte oft und entblößte dabei stets ihre weißen Zähne, aber niemals widerspiegelte sich das Lächeln in ihren außergewöhnlichen Augen, und niemals deutete sie mit irgendeiner Geste oder einem Zeichen an, was sie wirklich empfand.
Seit vier Jahren war sie mit dem jungen Marius verheiratet, und keiner von beiden hatte seither eine sonderlich große Leidenschaft für den anderen an den Tag gelegt. Ihre Unterhaltungen verliefen in einem angenehmen Plauderton, blieben aber stets förmlich. Niemals tauschten sie diese Blicke voll geheimen Verstehens aus, wie das die meisten anderen Paare taten, und keiner von beiden streckte jemals die Hand aus, den anderen zu berühren, nicht einmal dann, wenn sie allein waren. Ihre Ehe war kinderlos, und falls ihre Vereinigung wirklich ohne jedes Gefühl war, dann schien zumindest der junge Marius nicht darunter zu leiden: Er war ein stadtbekannter Schürzenjäger. Was aber ging in Mucia Tertia vor, der noch nie jemand indiskretes Verhalten, geschweige denn Ehebruch nachgesagt hatte? War sie glücklich? Liebte sie den jungen Marius? Oder haßte sie ihn? Unmöglich, das zu sagen — und doch, Caesar spürte, daß Mucia Tertia zutiefst unglücklich war.
Inzwischen hatten sich alle niedergelassen, und aller Augen ruhten auf dem jungen Marius, der es sich auf einem Stuhl bequem gemacht hatte. Caesar, bemüht, sich nicht zurücksetzen zu lassen, hatte sich ebenfalls einen Stuhl geholt, sich aber nicht an die Seite des jungen Marius in der Mitte des Bogens gesetzt, den die drei Liegen formten, sondern schräg hinter seine Mutter. So konnte er zwar nicht die Gesichter der ihm wichtigsten Frauen sehen, dafür aber den jungen Marius, Mucia Tertia und den Verwalter Strophantes im Auge behalten. Strophantes war gebeten worden, der Versammlung beizuwohnen, hatte es aber, entgegen der Einladung des jungen Marius, sich zu setzen, vorgezogen, an der Tür stehen zu bleiben.
Marius fuhr sich — ein an ihm ungewohntes Zeichen der Nervosität — mit der Zunge über die Lippen. Dann fing er an zu sprechen. »Heute am frühen Nachmittag habe ich Besuch von Gnaeus Papirius Carbo und Marcus Junius Brutus erhalten.«
»Ein sonderbares Paar«, warf Caesar ein, der darauf aus war, Marius ein wenig aus dem Konzept zu bringen.
Der junge Marius bestrafte ihn mit einem wütenden Blick, ließ sich aber nicht beirren. Immerhin, dachte Caesar, ein Anfang.
Doch was sein Vetter dann sagte, durchkreuzte seine Absichten. »Sie haben mich gefragt, ob ich mich zusammen mit Gnaeus Carbo um das Amt des Konsuls bewerben würde. Ich habe ihnen zugesagt.«
Der Aufruhr war allgemein. Auf den Gesichtern seiner Schwestern konnte Caesar bares Erstaunen erkennen, der Rücken seiner Tante zuckte wie in einem Krampf zusammen, und in Mucia Tertias bemerkenswerte Augen trat ein sehr bestimmter, gleichwohl undeutbarer Ausdruck.
»Aber mein Sohn, du sitzt noch nicht einmal im Senat«, rief Julia aus.
»Doch, ab morgen. Perperna nimmt mich in die Listen auf.«
»Du bist noch nicht einmal Quästor gewesen, geschweige denn Prätor.«
»Der Senat ist bereit, mir die üblichen Voraussetzungen zu erlassen.«
»Aber du hast weder die nötige Erfahrung noch das Wissen«, beharrte Julia, und ihre Stimme klang verzweifelt.
»Mein Vater war siebenfacher Konsul, ich bin inmitten von Konsularen aufgewachsen, und Carbo könnt ihr kaum unerfahren nennen.«
»Warum hast du uns herbestellt?« fragte Aurelia.
Der junge Marius blickte seine Tante ernst an. »Um diese Angelegenheit mit euch zu besprechen natürlich«, antwortete er ein wenig verdutzt.
»Unsinn!« erwiderte Aurelia barsch. »Du hast dich nicht nur bereits entschieden, du hast Carbo längst zugesagt, dich an seiner Seite zur Wahl aufstellen zu lassen. Mir scheint, du hast uns in diesem frostigen Wetter nur hierherbestellt, um uns eine Nachricht zu präsentieren, die wir fast ebenso schnell auf der Straße aufgeschnappt hätten.«
»Das ist nicht richtig, Tante Aurelia.«
»Natürlich ist es so!« fuhr sie ihn an.
Mit hochrotem Kopf wandte sich der junge Marius wieder seiner Mutter zu und streckte ihr flehentlich seine Hand entgegen. »Mama, es ist
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