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MoR 03 - Günstlinge der Götter

MoR 03 - Günstlinge der Götter

Titel: MoR 03 - Günstlinge der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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die erste, die er sah, wenn er in die Stadt zurückkam, und die letzte, wenn er wieder ging. Dazwischen habe ich Sulla, und das ist typisch für ihn, fast nie gesehen. In seinem Herzen ist er ein Schauspieler, er kann ohne das Drama nicht leben. Ja, er weiß, wie man eine im Grunde harmlose Situation bis zum Äußersten mit Spannung auflädt. Deswegen hat er auch seine Besuche so gelegt, hat meine Rolle in seinem Leben mit mehr Farbigkeit, mehr Bedeutung ausgestattet. Statt eines gewöhnlichen Besuchs bei einer Dame, mit der er über Nebensächlichkeiten plauderte, verlieh er jedem seiner Besuche die Aura eines Abschieds oder einer Wiedervereinigung.«
    Caesar lächelte seine Mutter an, dann sagte er sanft: »Du hast meine Frage nicht beantwortet, Mater.«
    »Das habe ich auch gar nicht vor«, setzte sie ihm bestimmt entgegen. Statt dessen fixierte sie den jungen Marius. »Du mußt dir darüber im klaren sein, daß Sulla dich, wenn du ihm als Konsul entgegentrittst, ebenfalls mit Bedeutung ausstatten wird. Dein Alter und der Name deines Vaters werden Sulla dazu dienen, das Drama seines Kampfes um die Macht in Rom noch etwas dramatischer auszugestalten. Denk an deine Mutter, Neffe. Um ihrer willen laß die Finger von dieser Idee! Wenn du gegen Sulla kämpfen mußt, dann als einer von vielen Militärtribunen.«
    »Was denkst du?« wandte sich der junge Marius an Caesar.
    »Ich sage, tue es. Werde Konsul vor deinem Jahr.«
    »Lia?«
    Lia richtete ihren gequälten Blick auf Julia und sagte: »Bitte, tu es nicht, Vetter.«
    »Ju-ju?«
    »Ich stimme meiner Schwester zu.«
    »Frau?«
    »Du mußt mit deinem Glück gehen.«
    »Strophantes?«
    Der alte Verwalter seufzte vernehmlich und sagte: »Domine, tu es nicht.«
    Der junge Marius hatte einen Arm um die Stuhllehne geschlungen und nickte bedächtig. Die Bewegung übertrug sich auf seinen Oberkörper, der sanft vor- und zurückschwang. Er schürzte die Lippen, blies die Luft durch seine Nasenlöcher und sagte: »Genau, wie ich es erwartet habe. Der weibliche Teil meiner Verwandtschaft und mein Verwalter flehen mich an, mich nicht vor meiner Zeit und über das, was mir zukommt, zu erheben und dadurch meine Person in Gefahr zu bringen. Meine Tante scheint auch zu sagen, daß ich meinen Ruf aufs Spiel setzen werde, während meine Frau es Fortuna in den Schoß legt — bin ich einer von Fortunas Günstlingen? Nur mein Vetter sagt, ich solle es wagen.«
    Er erhob sich, seine Erscheinung beherrschte den Raum. »Ich werde das Wort, das ich Gnaeus Papirius Carbo und Marcus Junius Brutus gegeben habe, nicht zurücknehmen. Falls Marcus Perperna meiner Ernennung zum Senator und der Senat den notwendigen Erlassen zustimmen, werde ich meine Kandidatur um das Amt des Konsuls bekanntgeben.«
    »Du hast uns immer noch nicht gesagt, warum du es tust«, sagte Aurelia.
    »Ich dachte, das sei klar. Rom ist in einer verzweifelten Lage, Carbo kann keinen geeigneten Mitkonsul finden. An wen also wendet er sich? An mich, den Sohn des Gaius Marius. Rom liebt mich! Rom braucht mich! Das ist der Grund.«
    Nur die ältesten und vertrautesten Gefolgsmänner hätten den Mut aufgebracht, das zu sagen, was Strophantes jetzt sagte. Der Verwalter ergriff das Wort nicht nur für die verzweifelte Mutter, sondern auch für den toten Vater. »Es ist dein Vater, den Rom liebt, domine. Rom wendet sich deines Vaters wegen an dich. Rom kennt dich nicht, Rom weiß nur, daß du der Sohn des Mannes bist, der die Stadt vor den Germanen gerettet hat, der die ersten Siege gegen die Italiker errang und siebenfacher Konsul war. Wenn du zum Konsul gewählt wirst, dann nicht, weil du du selbst bist, sondern weil du der Sohn deines Vaters bist.«
    Der junge Marius liebte Strophantes, und Strophantes wußte das auch. Deshalb reagierte er sehr zurückhaltend auf dessen Worte. Er kniff lediglich seine Lippen zusammen und sagte: »Ich weiß. Aber es liegt in meiner Hand, Rom zu zeigen, daß der junge Marius seinem hochgeehrten alten Vater in nichts nachsteht.«
    Caesar sah zu Boden und schwieg. Warum, fragte er sich, hatte der verrückte Greis den Mantel und die Mütze des Jupiterpriesters nicht seinem Sohn verpaßt? Ich könnte es tun. Aber der junge Marius? Niemals!

    Gegen Ende Dezember versammelten sich die Wähler in ihren Zenturien auf dem Marsfeld. Der junge Marius wurde zum ersten Konsul gewählt, Gnaeus Papirius Carbo zum zweiten Konsul. Die Tatsache, daß der junge Marius weit mehr Stimmen auf sich vereinigte als Carbo,

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