MoR 03 - Günstlinge der Götter
massivbronzene, mit Gold belegte Abbildung der Victoria auf einer biga, einem zweispännigen Pferdewagen. Die zu absurden Klumpen zusammengeschmolzenen Metalle wurden zwar aus dem Schutt herausgesucht und von Schmieden wieder aufbereitet. Doch die daraus gefertigten Barren konnten kein Ersatz sein für die unsterblichen Namen der ursprünglichen Bildhauer — Praxiteles und Myron, Strongylion und Polykletes, Skopas und Lysippus. Kunst und Geschichte hatten sich in demselben Flammenmeer aufgelöst wie die irdische Heimstatt des Jupiter Optimus Maximus.
Einige benachbarte Tempel waren ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen worden, insbesondere der Tempel der Ops, der geheimnisvollen, gesichts- und leiblosen Wächterin über Roms öffentliche Wohlfahrt. So groß war das Ausmaß der Zerstörung, daß ihr Tempel neu auf gebaut und geweiht werden mußte. Auch der Tempel der Fides Publica war stark beschädigt; die Hitze des nebenan wütenden Feuers hatte die Verträge und Pakte, die an den Innenwänden des Tempels aufgehängt waren, ebenso verkohlen lassen wie die Leinenwickel, die um die rechte Hand einer uralten Statue gewunden waren, von der man dachte, sie stelle die Fides Publica dar. Ein weiteres Bauwerk hatte unter dem Feuer gelitten; doch da es erst vor kurzer Zeit errichtet worden war und überwiegend aus Marmor bestand, war zu seiner Wiederherstellung wenig mehr als ein neuer Anstrich vonnöten. Es handelte sich dabei um den Tempel, den Gaius Marius zu Ehren des Honos und der Virtus hatte errichten lassen und in dem seine Kriegstrophäen, militärischen Auszeichnungen und Geschenke an Rom verwahrt wurden. Was das Volk Roms am meisten beunruhigte, war die Tatsache, welche Götter am stärksten von dem Brand in Mitleidenschaft gezogen wurden: Jupiter Optimus Maximus war Roms wichtigster Gott; Ops war für das öffentliche Wohl der Stadt zuständig; Fides Publica kümmerte sich um die guten Beziehungen zwischen den Römern und ihren Göttern; auf Honos und Virtus schließlich stützte sich der Ruhm des römischen Kriegshandwerks. So wurde jeder Römer von derselben Frage geplagt: War das Feuer ein Omen dafür, daß die Tage von Roms Aufstieg vorüber waren? War das Feuer ein Omen für das bevorstehende Ende?
Die Konsuln, die an diesem Neujahrstag ihr Amt antraten, waren die ersten, die nicht in der Heimstatt Jupiters des Besten und Größten geweiht wurden. Zu Füßen des alten, geschwärzten Steinpodiums, auf dem der Tempel geruht hatte, wurde unter einem Baldachin ein behelfsmäßiger Schrein errichtet, auf dem die neuen Konsuln ihre Opfer darbrachten und ihren Amtseid schworen.
Caesar, dessen blondes Haar unter dem Elfenbeinhelm verborgen war und dessen Körper in dem schweren, engen Priestermantel steckte, wohnte den Riten in seiner offiziellen Funktion bei, obgleich ihm keine aktive Rolle zukam; die Zeremonien wurden von dem obersten Priester der Republik, dem Pontifex Maximus Quintus Mucius Scaevola durchgeführt, dem Schwiegervater des jungen Marius.
Für Caesar war das Ganze doppelt schmerzlich. Zum einen hatte die Zerstörung des Großen Tempels ihn, den Jupiterpriester, seiner religiösen Heimstatt beraubt, zum anderen war ihm deutlich bewußt, daß er in seiner purpurgesäumten Toga niemals Konsul werden konnte. Doch hatte er gelernt, mit seinen Schmerzen umzugehen, besaß er genügend Selbstbeherrschung, die Zeremonien in aufrechter Haltung und ohne jede Gefühlsregung durchzustehen.
Die Zusammenkunft des Senats und das anschließende Fest waren von dem Schrein in die Curia Hostilia verlegt worden, den Sitz des Senats und vorschriftsgemäß geweihten Tempel. Obwohl Caesar vom Alter her der Zutritt in das Innere der Curia Hostilia untersagt war, war er als Jupiterpriester automatisch auch Mitglied des Senats. So verwehrte ihm niemand den Zutritt, und er folgte regungslos den kurzen, formellen Handlungen, die der junge Marius als erstgewählter Konsul recht ordentlich vollzog. Die Statthalter, die in zwölf Monaten ihr Amt antreten würden, wurden per Losentscheid aus den diesjährigen Prätoren und den beiden Konsuln ausgewählt, der Tag des Festes des Jupiter Latiaris auf dem Albanerberg wurde festgesetzt, ebenso der Zeitpunkt der anderen beweglichen Festtage öffentlicher und religiöser Natur.
Im Anschluß an die Zeremonien wurden auserlesene Speisen in rauhen Mengen aufgetischt. Da Caesar als Jupiterpriester davon nur wenig essen durfte, suchte er sich einen unauffälligen Platz und lauschte den
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