MoR 03 - Günstlinge der Götter
einer raschen Bewegung schlüpfte er aus seinen Holzschuhen, hob sie auf und stahl sich leise davon.
Lucius Decumius hatte in einem geschützten Winkel des Vestibüls der Curia Hostilia gewartet und stand an Caesars Seite, kaum daß er aus der Halle geschritten kam. In seinen Armen hielt er eine Kollektion dem Wetter angemessener Kleidungsstücke — robuste Stiefel, einen Überwurf mit Kapuze, Socken und ein Paar wollener, knielanger Hosen. Caesar entledigte sich seiner priesterlichen Aufmachung. Er hielt Lucius Decumius seine Priestermütze, den Mantel und seine Holzschuhe hin, der sie an eine hinter ihm stehende riesenhafte Gestalt weiterreichte, die alles in einen ledernen Zugbeutel stopfte.
»Was? Schon zurück aus Bovillae, Burgundus?« rief Caesar, der vor Kälte nach Luft schnappte, während er versuchte, einen seiner senkellosen Schuhe überzuziehen.
»Ja, Caesar.«
»Wie geht es dir? Alles in Ordnung mit Cardixa?«
»Ich bin Vater eines weiteren Sohnes.«
»Ich habe es dir doch gesagt, Pavo mein Pfau!« kicherte Lucius Decumius. »Bis du Konsul bist, hat er eine ganze Leibwache für dich großgezogen.«
»Ich werde niemals Konsul werden«, sagte Caesar und sah auf das nur verschwommen sichtbare Ende der Basilica Aemilia hinaus. Er schluckte vor Schmerz.
»Unsinn! Natürlich wirst du Konsul werden«, sagte Lucius Decumius und nahm Caesars Gesicht in seine behandschuhten Hände. »Hör auf, solch düsteren Gedanken nachzuhängen! Es gibt nichts auf dieser Welt, das dich aufhalten kann, wenn du dich erst einmal für etwas entschieden hast. Hast du mich verstanden?« Er ließ seine Hände sinken und gab dann Burgundus ein ungeduldiges Zeichen. »Los, mach schon, du germanischer Klotz! Bahne dem Meister einen Weg.«
Der Winter blieb weiterhin kalt, und er schien nie mehr enden zu wollen. Unter dem Pontifex Maximus Scaevola hatten sich die Jahreszeiten nach einigen Jahren wieder an den Kalender gehalten. Wie auch Metellus Delmaticus hatte Scaevola auf die Übereinstimmung der Jahreszeiten mit dem Kalender geachtet. Aber der Pontifex Maximus zwischen ihnen, Gnaeus Domitius Ahenobarbus, hatte zugelassen, daß der Kalender, der zehn Tage kürzer war als das Sonnenjahr, ungezügelt vorangaloppiert war. Ahenobarbus hatte verkündet, er halte nicht viel von affektierten griechischen Traditionen.
Im März endlich setzte Tauwetter ein, und ganz Italien atmete auf. Die Legionen wachten aus ihrer Winterruhe auf und regten sich wieder. Anfang März zog Gaius Norbanus trotz des immer noch tiefen Schnees mit sechs seiner acht Legionen aus Capua aus, um sich in Ariminum Carbo anzuschließen. Seine Armee passierte Sulla, der es vorzog, nicht zu reagieren. Trotz der widrigen Umstände kam Norbanus auf der Via Latina und der Via Flaminia rasch voran und erreichte nach kurzer Zeit Ariminum. Mit seiner Ankunft schwoll die Zahl der unter Carbo stehenden Legionen auf dreißig an. Zusammen mit den mehreren Tausend Mann Reiterei bedeutete dies eine enorme Last für Roms Schatzamt — und für den Ager Gallicus. Aber noch vor seinem Abmarsch hatte Carbo die drängende Frage gelöst, wo die Mittel, mit denen er seine riesige Armee unter Waffen halten konnte, herkommen sollten.
Vielleicht hatte ihn die Erinnerung an das geschmolzene Gold und Silber aus dem ausgebrannten Tempel des Jupiter Optimus Maximus, das in Barrenform in der Schatzkammer lagerte, inspiriert. Schließlich war Carbo es gewesen, der damals befohlen hatte, die Barren zu beschlagnahmen und an ihrer Stelle einen Schuldschein des Wortlauts zu hinterlassen, daß Rom seinem Großen Gott soundsoviele Talente Gold und soundsoviele Talente Silber schuldete. Jedenfalls beschlossen Carbo und der junge Marius, die vielen reichen Tempel Roms zur Ader zu lassen und sich ihr Vermögen zu »leihen«. Da das Religionswesen Teil des Staatswesens war und vom Staat verwaltet wurde, verstieß Carbos Vorgehen, obgleich gotteslästerlich und noch nie zuvor praktiziert, gegen keine bestehenden Gesetze. Und so wurde aus den Schatzkammern der Tempel Roms eine mit Münzen gefüllte Kiste nach der anderen geschleppt. Kisten, in die der eine Sesterz geflossen war, der bei jeder Geburt eines römischen Kindes der Juno Lucina geopfert wurde; der eine Denar, der anläßlich der Mann- werdung eines römischen Knaben der Juventas dargeboten wurde; die vielen Denare, die Merkur von Händlern gespendet wurden, wenn sie ihre Lorbeerzweige in seinem heiligen Brunnen netzten; die Sesterzen, die
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