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MoR 03 - Günstlinge der Götter

MoR 03 - Günstlinge der Götter

Titel: MoR 03 - Günstlinge der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Marius’ plötzlicher Panik, brüllten die jungen Soldaten an, verdammt nochmal ihre Füße in die Hände zu nehmen und sich in Bewegung zu setzen. Die allgemeine Hektik brachte den jungen Marius noch mehr aus der Fassung. Er ritt neben seinen verängstigten Soldaten her und trieb sie zu immer größerer Eile an. Dabei kam es ihm nicht ein einziges Mal in den Sinn, seinen Männern auseinanderzusetzen, daß sie sich nicht auf dem Rückzug befanden, sondern sich lediglich auf besseres Terrain zurückzogen. Schließlich bezogen die Truppen und ihr Feldherr zwar auf vorteilhaftem Gelände Stellung, waren aber weder körperlich noch stimmungsmäßig in der Lage, aus diesem Vorteil auch Kapital zu schlagen.
    Wie alle seine Standesgenossen war der junge Marius zwar auch in der Kunst der Schlachtenführung unterrichtet worden, aber bisher hatte er einfach angenommen, daß der Scharfsinn und die Weisheit seines Vaters ihn auf dem Schlachtfeld inspirieren würden, inspirieren mußten. Jetzt, zurück in Sacriportus, stand er inmitten seiner Legaten und Militärtribunen, die auf seine Befehle warteten, und er konnte nicht mehr denken, konnte nicht ein einziges Jota des Scharfsinns und der Weisheit seines Vaters in sich entdecken.
    »Die Legionen sollen sich in Manipeln anordnen«, befahl er schließlich, »mit je acht Mann an den Seitenlinien einer jeden Zenturie. Zwei Legionen sollen sich im Hintergrund in einer Linie aufstellen und als Reserve bereithalten.«
    Das waren zwar keine guten Befehle, aber niemand wagte, ihn zu kritisieren. Anstatt nun den angeschlagenen Kampfgeist seiner ausgelaugten, schwer atmenden Soldaten mit einer flammenden Rede wieder aufzurichten, trieb Marius sein Pferd an den Rand der Ebene und starrte mit hängenden Schultern ins Leere.
    Sulla stand auf einem Hügel zwischen dem Veregis und Sacriportus und erkannte mit einem Blick, wie einfältig der Schlachtplan des jungen Marius war. Er seufzte tief auf, zuckte mit den Achseln und sandte seine fünf Veteranen-Legionen unter dem älteren Dolabella und Servilius Vatia aus. Die beiden kampferprobtesten Legionen von Scipio Asiagenus’ alter Streitmacht hielt er unter dem Kommando von Lucius Manilus Torquatus als Reserve zurück, während er selbst mit einer berittenen Schwadron auf dem Hügel blieb. Die Reiter sollten für den Fall, daß ihr Feldherr sich gezwungen sah, seine Taktik zu ändern, die entsprechenden Befehle schnellstmöglich den Kommandeuren auf dem Schlachtfeld übermitteln. An Sullas Seite stand kein Geringerer als der alte Lucius Valerius Flaccus Princeps Senatus. Flaccus hatte sich Anfang Februar zu einem Entschluß durchgerungen und hatte, noch mitten im tiefsten Winter, Rom verlassen und Sulla aufgesucht.
    Der junge Marius gewann seine Fassung, wenn auch nicht seinen Siegesmut, in dem Augenblick wieder, als er Sullas Armee heranrücken sah. Ohne eine plausible Vorstellung davon, was er tun könnte oder was zu tun sei, übernahm er das Kommando über den linken Flügel seiner Armee. Um die Mittagszeit dieses kurzen Wintertages kreuzten die beiden Armeen erstmals ihre Schwerter. Kaum eine Stunde später flohen die etrurischen und umbrischen Bauernsöhne, die sich voller Heldenmut dem jungen Marius angeschlossen hatten, in alle Himmelsrichtungen vor Sullas kampferprobten Legionären, die leichtes Spiel mit ihnen hatten. Eine der beiden Legionen, die der junge Marius als Reserve zurückgehalten hatte, lief geschlossen zu Servilius Vatia über und sah tatenlos zu, wie ihre ehemaligen Bundesgenossen praktisch zu ihren Füßen abgeschlachtet wurden.
    Der Anblick der desertierten Legion gab dem jungen Marius den Rest. In höchster Not fiel ihm ein, daß die uneinnehmbare Burgstadt Praeneste nicht weit östlich von dem Schlachtfeld lag, und er befahl den sofortigen Rückzug in die Festung. Jetzt, da er ein greifbares Ziel vor Augen hatte, fühlte er sich besser, und es gelang ihm, seinen linken Flügel einigermaßen geordnet zum Rückzug zu führen. Ofella, der den rechten Flügel von Sullas Armee kommandierte, setzte mit einer solchen Geschwindigkeit und Wildheit hinter dem jungen Marius her, daß Sulla, der die Aktion von dem Hügel aus beobachtete, spontan applaudierte. Über zehn Meilen hinweg griffen Ofellas Soldaten Marius’ Truppen immer wieder an, kesselten hier und da Nachzügler ein, machten sie nieder und setzten dann wieder dem Haupttroß nach. Der junge Marius bemühte sich zwar verzweifelt, die Verluste so gering wie möglich zu

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