MoR 03 - Günstlinge der Götter
halten, aber am Ende gelang es nur siebentausend seiner Männer, sich mit ihm hinter die mächtigen Stadttore von Praeneste zu retten.
Das Zentrum seiner Armee war fast bis zum letzten Mann aufgerieben worden, aber wenigstens war es dem rechten Flügel unter der Führung Ahenobarbus’ gelungen, auszubrechen und sich auf Norba zurückzuziehen. Norba, eine uralte Hochburg der Volsker, die in unerschütterlicher Treue zu Carbo hielt, thronte auf einer Bergspitze rund zwanzig Meilen in südwestlicher Richtung und öffnete Ahenobarbus’ zehntausend Soldaten nur zu gerne die Tore ihrer unüberwindbaren Mauern. Aber nicht für Ahenobarbus! Der wünschte seinen erschöpften Soldaten einen guten Tag und floh weiter bis zur Küste bei Tarracina, wo er sich nach Africa einschiffte, den am weitesten von Rom entfernten Ort, an dem zu leben er sich vorstellen konnte.
Inzwischen frohlockte der junge Marius, der keine Ahnung von Ahenobarbus’ heimlicher Flucht hatte. Sulla würde große, wenn nicht gar unüberwindbare Schwierigkeiten haben, ihn aus Praeneste zu vertreiben. Rund dreiundzwanzig Meilen von Rom entfernt lag Praeneste auf den Höhen eines Ausläufers der Apenninen, eine Lage, die der Stadt geholfen hatte, über Jahrhunderte hinweg alle Angriffe auf ihre gewaltigen Mauern abzuwehren.
Hinter der Stadt schlossen sich höhere, steilere Berge an. Keine Armee konnte die Stadt aus dieser Richtung angreifen; dabei war es möglich, über kleine, aus den Bergen herabführende Pfade Versorgungsmittel herbeizuschaffen und so jeden Versuch zu unterlaufen, die Stadt auszuhungern. Zudem fanden sich zahlreiche Quellen innerhalb der Burgmauern, und in den riesigen Kavernen unterhalb des mächtigen Schreins der Fortuna Primigenia, für den Praeneste so berühmt war, lagerten viele medimni Weizen, zahllose Amphoren Öl und Wein und andere unverderbliche Nahrungsmittel wie harter Käse und getrocknete Weintrauben neben Äpfeln und Birnen aus der letztjährigen Ernte.
Obwohl Praeneste latinischen Ursprungs war und die Bürger der Stadt das hier gesprochene Latein für die älteste und reinste Form dieser Sprache hielten, hatte die Stadt sich nie mit Rom verbündet. Während des Bundesgenossenkrieges hatte die Stadt auf seiten der italischen Verbündeten gefochten, und auch jetzt noch verachteten die Bürger Praenestes die Römer als Emporkömmlinge. Kein Wunder also, daß sie den jungen Marius mit offenen Armen empfingen. Immerhin war er der Sohn des Gaius Marius und ein Aufständischer gegen Sullas furchtbare Macht.
Zum Dank für den herzlichen Empfang wies der junge Marius seine Soldaten an, Stoßtrupps zu bilden, die über die Schleichwege hinter der Stadt ins Bergland ausschwärmten und so viel Nahrungsmittel wie möglich in die Stadt karrten. Praeneste hatte jetzt viele zusätzliche Münder zu stopfen.
»Spätestens im Sommer wird Sulla seine Truppen abziehen müssen. Dann kannst du die Stadt wieder verlassen«, verkündete der oberste Magistrat der Stadt.
Eine Prophezeiung, die sich als unzutreffend herausstellen sollte. Kaum eine Marktwoche nach der Schlacht von Sacriportus begannen Sullas Truppen sich auf eine Belagerung einzurichten. Angesichts des Umfangs der Unternehmung mußten der junge Marius und mit ihm die Bürger der Stadt erkennen, daß Sulla Praeneste um jeden Preis in die Knie zwingen wollte. Die Stadt lag an einer Wasserscheide. Die den Ausläufer Richtung Rom entwässernden Bäche mündeten früher oder später in den Anio, die in die andere Richtung fließenden Wasserläufe ergossen sich in den Tolerus. Sullas Soldaten zogen mit einer Geschwindigkeit, welche die eingeschlossenen Zuschauer in höchstes Erstaunen versetzte, eine gewaltige Mauer von der zum Anio abfallenden Seite bis zu der zum Tolerus abfallenden Seite des Höhenzugs. Es war absehbar, daß Praeneste, wenn dieses gewaltige Bauwerk erst einmal fertiggestellt war, nur noch über die durch die Berge führenden Schleichpfade erreicht — und verlassen — werden konnte. Vorausgesetzt natürlich, daß diese nicht bewacht wurden.
Die Nachricht von Sullas Sieg bei Sacriportus erreichte Rom, noch bevor die Sonne über jenem schicksalhaften Tag unterging. Doch diese Nachricht war nicht für die Allgemeinheit bestimmt, die sich mit vagen Gerüchten begnügen mußte. Der junge Marius hatte, kaum daß die Stadttore Praenestes hinter ihm zugefallen waren, in größter Eile einen Brief diktiert und per Boten an den Stadtprätor Lucius Junius Brutus
Weitere Kostenlose Bücher