MoR 03 - Günstlinge der Götter
»Ich nähere mich meinem Ziel, Pompeius! Unaufhaltsam, Schritt für Schritt.«
Pompeius, der ansonsten wenig Scheu kannte, wagte nicht, die Frage zu stellen, die ihm auf der Zunge brannte: Was hatte Sulla vor, wenn der Krieg vorüber war? Wie wollte er seine Autorität aufrechterhalten, wie sich gegen allfällige Rachegelüste wehren? Einerseits konnte Sulla seine Armee nicht ewig unter Waffen halten, andererseits würde er sich in dem Moment, in dem er sie auflöste, der Gnade und Willkür eines jeden ausliefern, der über genügend Stärke und Einfluß verfügte, ihn zur Rechenschaft zu ziehen. Und das konnte sehr wohl ein Mann sein, der sich gegenwärtig als treuen Gefolgsmann Sullas bezeichnete. Wer wußte schon, welche Absichten Männer wie Vatia und der ältere Dolabella wirklich hegten? Beide waren alt genug für ein Konsulat, auch wenn die Umstände sie bisher daran gehindert hatten, sich erfolgreich um das Amt zu bewerben. Wie wollte Sulla sich schützen? Die Feinde eines großen Mannes glichen einer Hydra — für jeden Kopf, den er abschlug, wuchsen zehn andere nach, und jeder neue Kopf hatte größere und schärfere Zähne.
»Wenn du mich hier nicht brauchst, Sulla, wo dann?« fragte Pompeius verwirrt zurück.
»Es ist Anfang Sextilis«, sagte Sulla. Er wandte sich um und ging den Weg vom Turm hinab voran.
Die beiden Männer schwiegen, bis sie am Fuße des Turms angelangt waren und in das nur scheinbare Chaos unterhalb der Befestigungsmauern eintauchten. Geschäftig eilten Soldaten hin und her, die einen karrten Öl heran, das sie später anzünden und über die Angreifer ausgießen würden, die versuchten, die Mauer auf Leitern zu besteigen, während andere damit zugange waren, Felsbrocken als Wurfgeschosse für die bereits auf den Wehrgängen thronenden Onager und Katapulte aufzuhäufen oder Lanzen, Pfeile und Schilde für den Kampf bereitzulegen.
»Es ist Anfang Sextilis?« griff Pompeius Sullas letzte Bemerkung auf, kaum daß sie den Bereich der größten Betriebsamkeit verlassen hatten und auf der zum Nemi-See führenden Straße ausschritten.
»In der Tat!« Sulla tat, als sei er erstaunt. Dann lachte er angesichts von Pompeius’ verdutztem Gesicht lauthals los.
Offensichtlich erwartete er, daß Pompeius das ebenfalls lustig fand, also lachte Pompeius auch. »In der Tat«, sagte er, »Anfang Sextilis.«
Sulla genoß es, wieder einmal aus ganzem Herzen zu lachen. Aber dann riß er sich doch zusammen. Höchste Zeit, diesen jungen Möchtegern-Alexander von der Last seiner Neugier zu befreien.
»Ich habe mir etwas Besonderes für dich ausgedacht, Pompeius«, sagte Sulla. »Die anderen brauchen vorerst noch nichts davon zu wissen. Ich will, daß du unterwegs bist, bevor sich der unvermeidliche Proteststurm erhebt. Ich betraue dich mit einer Aufgabe, die keinem zusteht, der nicht zumindest Prätor gewesen ist.«
Pompeius, der sich vor lauter Aufregung kaum mehr halten konnte, blieb stehen. Er faßte Sulla am Arm und zog ihn zu sich her, so daß er ihm direkt in seine blauen Augen sah. Sie standen in einem lieblichen Tal an der Seite der unbefestigten Straße, und der Lärm des eifrigen Treibens vor und hinter ihnen wurde von dem wildwuchernden Brombeergestrüpp und den zahlreichen Rosenbüschen gedämpft.
»Warum ist deine Wahl gerade auf mich gefallen, Lucius Cornelius?« wunderte sich Pompeius. »Du hast mehr als genügend Legaten, die diese Voraussetzung erfüllen — Vatia, Appius, Claudius, Dolabella, ja sogar Männer wie Mamercus oder Crassus scheinen eher dazu befähigt. Warum also ich?«
»Du stirbst mir ja noch vor Neugier, Pompeius. Ich werde es dir gleich sagen. Aber zuerst muß ich dir erklären, was ich von dir will.«
»Ich höre.« Pompeius bemühte sich, ruhig zu erscheinen.
»Ich habe dir befohlen, sechs Legionen und tausend Reiter mit dir hierher zu bringen. Das ist eine ansehnliche Armee. Mit dieser Armee wirst du so schnell wie möglich nach Sizilien ziehen und die kommende Ernte für mich sicherstellen. Es ist Anfang Sextilis, und die Erntezeit beginnt bald. Die Weizenflotte liegt im Hafen von Puteoli vor Anker. Hunderte von leeren Schiffen! Deine Flotte, Pompeius! Aber du mußt dort sein, bevor die Schiffe Segel setzen. Deshalb sollst du schon morgen nach Puteoli aufbrechen. Du wirst eine Vollmacht in meinem Namen und die Amtsgewalt eines Statthalters haben. Ich werde dir auch genügend Geld mitgeben, um für die Überfahrt auf den Schiffen zu bezahlen. Deine Reiterei
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