Morbus Dei: Im Zeichen des Aries: Roman (German Edition)
stolperte er vor den brennenden Haufen und starrte apathisch hinein.
Kleidung und Haare der Leiber waren bereits restlos verbrannt. Die Gliedmaßen im Feuer wirkten wie knorriges Wurzelwerk, schwarz wie Kohle und spröde wie vertrocknete Äste.
Tränen schossen Johann in die Augen, sein Kopf schnellte hin und her, als wollte er das Offensichtliche verneinen, in der Hoffnung, es damit ungeschehen zu machen.
Elisabeth.
Sie lag irgendwo in diesem Körperhaufen, ihre sterbliche Hülle wurde gerade von den Flammen verzehrt.
Alles hätte Johann dafür getan, sie wieder lebendig in den Armen halten zu können. Alles hätte er geopfert, einfach alles, ohne auch nur einen Augenblick zu zögern, auch seine Seele. Wo war der Teufel, wenn man ihn brauchte, der Verführer, der Versprecher? Dass Gott selbst jeden Hilferuf in tiefster Verzweiflung schmähte, das hatte Johann nur zu oft am Schlachtfeld erlebt. Aber war auch auf den Leibhaftigen selbst kein Verlass mehr?
Johann wartete.
Nichts.
Wieder bot er seine Seele an, und ein Dasein in immerwährender Finsternis für diese Welt und alle Kreaturen auf ihr, wenn dafür Elisabeth dem Feuer entstiege.
Wieder nichts.
Nur das Feuer vor ihm, jedes Knistern wie ein Nadelstich in seine Seele, die sich immer mehr verfinsterte.
Das kann nicht sein.
Johann fiel auf die Knie.
Das darf nicht sein.
Er zückte sein Messer, die Klinge blitzte auf.
Elisabeth. So endet es also.
Johann setzte das Messer unter sein Kinn, als ihn eine Hand packte und eine andere ihm mit voller Wucht ins Gesicht schlug. Er fiel zu Boden. Über ihm stand der Preuße mit geballter Faust, an seiner Seite war Hans, die Fäuste ebenfalls geballt.
„Wage es nicht, dich davonzustehlen, das würde sie dir niemals verzeihen. Und ich dir erst recht nicht.“
Johann starrte seinen Freund an, versuchte seine Worte zu verstehen. Dann hörte er plötzlich eine Stimme. Es war die Stimme von Elisabeth.
Josefa hat ihr Leben für mich gegeben, ich bin es ihr schuldig, das meine weiterzuleben .
Ihre Worte, die sie zum Preußen gesagt hatte, als dieser den Tod seiner geliebten Josefa mit dem eigenen tilgen wollte.
Johann wurde mit einem Male klar, dass auch er noch eine Schuld zu sühnen hatte. Er wusste nicht welche, aber er hatte das sichere Gefühl, dass er das bald herausfinden würde.
Steh auf und lebe.
Er streckte die Hand aus, der Preuße ergriff sie mit einem bitteren Blick und half ihm auf. Dann drückte er ihn fest an sich. „Es tut mir so leid.“
Die alten Weiber kamen mit den edlen Stoffen beladen von der Kutsche, Johann und der Preuße lösten sich voneinander.
„Friede ihren Seelen“, sagte die eine.
„Die armen Menschen“, sagte die andere.
Plötzlich richtete einer der brennenden Leichname wie von Geisterhand den Oberkörper auf und verharrte in dieser Position. Die beiden Alten liefen schreiend und den Heiland um Hilfe anrufend davon.
Hans bekreuzigte sich unwillkürlich. Der Preuße musste kurz schmunzeln. „Das passiert schon mal im Feuer. Letzten Endes sind wir doch nur Sehnen und Knochen.“
„Leute, ich hab wen gefunden!“, rief Karl aufgeregt und zerrte eine Gestalt unter der Kutsche hervor.
Die anderen liefen zu ihm. Vor ihnen lag ein Mann, etwas älter als der Preuße, die Haare militärisch kurz geschnitten, das Gesicht mit Dreck und Blut verschmiert. Er hielt sich die linke Schulter, der Stoff darunter hatte sich dunkelrot gefärbt. Mit blutverkrusteten Augen blinzelte er Johann an.
Dieser packte ihn am Kragen und zerrte ihn hoch. „Hast du sie getötet?“ Er hielt dem Mann sein Messer an die Kehle. „Rede, verdammt noch mal!“
Der Mann schwieg, der Preuße packte Johanns Arm, wollte ihn wegziehen, aber die Wut machte Johann stark. „Hast du Elisabeth auf dem Gewissen?“ Er war knapp vor der Raserei. Jetzt packten ihn auch Hans und Karl, aber die Klinge bewegte sich nicht von der Kehle des Mannes.
„Was ist?“, knurrte Wolff und hob provozierend das Kinn, als ob er auf die Erlösung wartete. „Mach schon, wenn du nur einen Funken Mut und Ehre dein Eigen nennst! Aber ich habe keine Ahnung, wovon zur Hölle du sprichst!“
Johann wollte zustechen; dies würde ihn zumindest für einen Augenblick erlösen, ihm das Gefühl geben, Elisabeth zu rächen –
„Lass es.“ Die Stimme des Preußen. Ruhig, bestimmt. „Du weißt nicht, was er getan hat – willst du einen Unschuldigen für sie büßen lassen?“
Ruhig. Bestimmt. Und wahr.
Johann gab nach, ließ sich
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