Morbus Dei: Im Zeichen des Aries: Roman (German Edition)
von den Männern wegzerren. Etwas entfernt setzte er sich auf den Boden, starrte zu den brennenden Leichen.
Wolff rieb sich die unversehrte Kehle, er wusste nicht, was ihm vorgeworfen worden war. Er wusste nur, dass er zum zweiten Mal an diesem Tag dem Tod von der Schippe gesprungen war. Dann wischte er sich mit der Hand über das Gesicht und entfernte notdürftig Dreck und Blut.
Der Preuße ließ Johann bei Hans und Karl und schritt zu dem Soldaten zurück. Als er näher kam, kniff er die Augen zusammen. Öffnete sie ganz und kniff sie wieder zusammen. Das konnte doch nicht – „Georg?“
Wolff sah ihn verwirrt an. Dann erhellte sich sein verkniffenes Antlitz.
„Verflucht noch eins, Leutnant Wolff“, kommandierte der Preuße in scharfem Befehlston, „nehmen Sie gefälligst Haltung an, wir sind hier nicht in der französischen Armee!“
Wolff stand reflexartig auf und nahm stramme Haltung an. „Heinz Wilhelm Kramer? Du bist selbst nur ein verfluchter Leutnant, du Hund!“ Er nahm den Kopf des Preußens in beide Hände und sah ihn an, als stände er der schönsten Maid der Welt gegenüber. Dann ließ er ihn los und sein Blick wanderte zu Hans und Karl, die wieder näher kamen.
„Hol mich der Teufel, Hans Luchser und Karl Anton Breitenfels?“
Die beiden salutierten pflichtbewusst. „Herr Leutnant!“
„Was ist das hier? Ein beschissenes Treffen der besten Männer der Rumorwache?“ Wolff stieß ein fast hysterisches Lachen aus und riss damit Johann aus seiner Erstarrung. Langsam lies dieser sein Messer in die Lederscheide zurückgleiten, dann rappelte er sich erschöpft auf.
„Und wer ist das hier, der mir so dringlich an die Gurgel wollte?“, fragte Wolff und blickte Johann unverwandt an. „Ah, du musst der Deserteur sein, nach dem wir ganz Wien umgedreht haben. Hast uns und die verdammte Stadtguardia mächtig in Atem gehalten.“
„Das ist Johann List“, sagte der Preuße, als Johann aufstand und wortlos zum Feuer ging. „Wir haben gerade einen herben Verlust einstecken müssen“, fügte er leise hinzu. „Seine Frau ist – erzähl ich dir später.“
„Zumindest habt ihr den Söldnern hier gezeigt, aus welchem Holz die Rumorwache geschnitzt ist“, meinte Karl stolz.
„Ja, aus Lindenholz“, antwortete Wolff und sah den Männern in die Augen. „Sie haben uns bis auf den letzten Mann zurechtgeschnitten, sie und diese wahnsinnigen Kranken aus den Wägen.“
„Ist wirklich niemand entkommen?“, bohrte der Preuße nach.
„Doch, einer ist entkommen. Der Anführer von denen, so ein geschniegelter Franzmann.“
Johann erstarrte und kam mit schnellen Schritten wieder zu den Männern. Wolff wich zurück, fasste seinen Säbel.
„Bist du dir sicher?“, fragte Johann Wolff scharf.
Der nickte. „Er hat seine Männer im Stich gelassen und ist in die Wälder geflohen. Es war das Letzte, was ich gesehen habe, bevor ich das Bewusstsein verlor.“
„Dann werden wir ihn jagen“, zischte Johann mit einer Kälte, die den anderen das Blut gefrieren ließ. „Und wenn wir ihn haben, dann werde ich Elisabeth an ihm rächen. Scheibchenweise.“
Die Miene des Preußen verfinsterte sich. Diese Besessenheit hatte er an seinem Freund bereits zuvor beobachtet, damals, als er hinter von Pranckh her gewesen war. Jene Besessenheit, die all das herbeigeführt hatte, die Krankheit in Wien, die Gefangennahme Elisabeths und den Tod Josefas.
Der Preuße machte Johann keine Vorwürfe, immerhin hatte niemand ihn und Josefa gezwungen, Johann und Elisabeth zu helfen, geschweige denn ihr eigenes Leben aufs Spiel zu setzen. Manchmal wird einem die wahre Höhe des Spieleinsatzes erst im Nachhinein bewusst, dachte er bitter.
Er sah Johann an. „Ich werde dir helfen, aber sei dir gewiss, was in letzter Konsequenz auf dich wartet.“
Johann blickte ihn fragend an.
„Nichts“, sagte der Preuße. „Wenn du dein Leben ganz der Rache hingibst, dann ist auch nichts mehr da, für das es sich zu leben lohnt, sobald sie vollbracht ist.“
„Dann soll dies der Preis sein, den ich zahle“, antwortete Johann bestimmt. Er sah sich um, erkannte die Spuren von abgeknickten Zweigen, die in den Wald führten. Er straffte sich, überprüfte seine Waffen und schritt zu seinem Pferd.
Der Preuße blickte ihm wehmütig nach. Die schrecklichsten Entscheidungen sind stets am leichtfertigsten gesprochen, dachte er.
Dann wandte er sich an Wolff: „Reitest du mit uns?“
„Darauf kannst du wetten, mein Freund. Ich hab noch
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