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Morbus Dei: Im Zeichen des Aries: Roman (German Edition)

Morbus Dei: Im Zeichen des Aries: Roman (German Edition)

Titel: Morbus Dei: Im Zeichen des Aries: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Zach , Matthias Bauer
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unterging und kalte Dunkelheit das Dorf und die Wälder verschluckte.
    XXXI
    „Elisabeth.“
    Sie achtete nicht auf ihn, versuchte, den Klang seiner Stimme aus ihren Gedanken zu verbannen, so wie sie versuchte, nicht auf die Kälte zu achten, die sich durch den abgewetzten Stoff ihrer Kleider fraß.
    Beides gelang ihr nicht.
    „Elisabeth!“
    Sie atmete tief durch. Nach der Nacht im Heuschober hatten sie noch vor Sonnenaufgang zwei der Pferde gestohlen, die die spät angekommenen Gäste mitgeführt hatten, und waren sofort aufgebrochen. Elisabeth hatte befürchtet, dass die Unruhe im Stall und das Gewieher die Hausbewohner wecken würden, aber sie hatten Glück gehabt und waren unbehelligt davongekommen.
    Seither hatte es fast unablässig gestürmt, die schwarzen Wolken und der Regen machten den Tag zur Nacht. Auch die Landschaft hatte vor den heftigen Stürmen kapituliert, Täler und Berge waren zu einer grauen, eintönigen Masse verschwommen.
    Elisabeth und Alain waren den Gewalten der Natur schutzlos ausgesetzt. Bei Tag ritten sie den schlammigen Weg entlang, bei Nacht schliefen sie in den Wäldern, weil sie Angst davor hatten, in Hospizen oder Gasthäusern zu übernachten. Sie wussten, dass sie sofort am Scheiterhaufen enden würden, wenn jemand Anzeichen der Krankheit an ihnen entdeckte. Also schlugen sie sich Tag für Tag durch, ernährten sich von Beeren und dem, was Alains Messer ihnen in den Wäldern verschaffte. Durchgefroren bis auf die Knochen, erschöpft und geschwächt trieb sie nur die Hoffnung weiter – auf eine sichere Unterkunft, ein prasselndes Feuer, ein warmes Essen.
    Auf Göss.
    „Elisabeth.“
    Sie hielt ihr Pferd an und drehte sich im Sattel um. Alain sah erschreckend aus – die Adern zogen sich pulsierend über sein totenblasses Gesicht, die Augen brannten schwarz aus ihren Höhlen. Er tat Elisabeth leid, gleichzeitig war sie jedoch wütend auf ihn. Für Schwäche hatten sie keine Zeit.
    „Was ist denn?“
    „Mein Körper brennt wie Feuer. Ich brauche eine Rast.“
    „Es geht nicht. Wir müssen die Nacht nutzen –“
    „Bitte!“ Er hob kraftlos die Arme.
    Was Elisabeth insgeheim befürchtet hatte, war geschehen – in den letzten Tagen hatte die Krankheit rasch und unbarmherzig von Alain Besitz ergriffen. Ebenso rasch hatte sich seine Fähigkeit vermindert, sich im Tageslicht aufzuhalten. Solange die Stürme getobt hatten, waren sie auch bei Tag weitergekommen, aber heute Nachmittag hatte die Sonne seit Langem wieder einmal ihr Antlitz gezeigt. Alain war vor ihr geflohen und hatte sich unter einem Baum und seinen verschlungenen Wurzeln versteckt. Sie hatten den Tag abwarten müssen und waren erst in der Dämmerung wieder aufgebrochen.
    Elisabeth blickte über das Tal vor ihnen, auf den Fluss und die Wälder. Wie lange noch bis Leoben und Göss? Sehr weit konnte es nicht mehr sein, aber Verzögerungen konnten sie sich trotzdem nicht leisten. Andererseits war Alain am Ende seiner Kräfte und sie würde ihn auf keinen Fall zurücklassen.
    Der Franzose starrte sie immer noch schweigend an, die Hand ausgestreckt, in der Bewegung erstarrt.
    Langsam nickte sie. „Gut. Aber nur kurz.“
    „Ich danke dir.“ Er blickte sich um, sah einen breiten, vom Regen weißgewaschenen Stein am Wegesrand. Er stieg vom Pferd und setzte sich darauf, hüllte sich in seinen Umhang und schloss die Augen.
    Elisabeth stieg ebenfalls vom Pferd, die kühle Abendluft roch nach modrigen Blättern und regennasser Erde. Es war still am Jakobsweg, nur das Schnauben der Pferde war zu hören.
    Und der Herzschlag in ihren Ohren, der sich beschleunigte, als sie über ihren Bauch strich.
    Was bist du?
    Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als dass das Kind gesund war, aber sie wusste, dass die Chancen sehr gering waren. Schon in den Wäldern um das Dorf, in denen sie gehaust hatten, hatte es kaum gesunde Kinder gegeben. Kajetan Bichter, der Pfarrer, war eine der wenigen Ausnahmen gewesen.
    Was bist du?
    Aber letztendlich spielte es keine Rolle. Elisabeth liebte dieses Kind schon jetzt wie ihr Leben, liebte jede Bewegung, die sie in ihrem Körper spürte. Und auch, wenn es die Krankheit hatte, würden sie und Johann ihm die Eltern sein, die es brauchte.
    Johann.
    Der Gedanke an ihn wärmte ihren durchfrorenen Körper. Seit ihrer Flucht am Semmering hatten sich die Zweifel, die sie während des zermürbenden Transports gequält hatten, verflüchtigt. Ihr Ziel war Göss, alles andere war unwichtig. In Göss würde alles

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