Morbus Dei: Im Zeichen des Aries: Roman (German Edition)
einen Augenblick kam es ihr vor, als wäre die Finsternis beinahe stofflich, als erdrückte sie sie und nähme ihr den Atem.
Dann hörte sie Gottfrieds Stimme wie in ihren Träumen.
Ich versprech, dass ich immer für dich da sein werd.
Sie bekam wieder Luft, der Himmel schien sich aufzuhellen, sie sah die dunklen Wälder auf der anderen Talseite, schemenhaft und geheimnisvoll.
Dort drüben, wo er und die anderen lagen.
Für immer.
Die Wolken rissen auf und gaben die bleiche Sichel des Mondes frei. Sophie begann mit der Aussaat, gleichmäßig und stumm, wie die anderen Gestalten auf den nächtlichen Feldern …
XXXVI
Friedlich lag die Stadt vor ihnen. Die Straßen waren leer, nur die Wachen standen auf den Brücken und auf den Türmen und Ringmauern. Die schwarzen Fluten der Mur schmiegten sich um die Stadt und spiegelten die ersten Lichter der Häuser; Lichter, die warm und heimelig anmuteten. Sie verhießen Gemütlichkeit aus warmen Stuben und rauchigen Küchen, wo das Essen für die Männer zubereitet wurde, die alsbald ihrem Tagwerk nachgehen würden.
Für die beiden Gestalten jedoch, die über den Hügel ritten, gab es kein Licht, keine Wärme, keinen wohlgefüllten Magen.
Elisabeth erinnerte sich an das letzte Mal, als sie und Johann in Leoben gewesen waren, als sie wegen der Papiere den Fälscher getroffen hatten.
Und an das, was mit ihm geschehen war.
Sie meinte, das schreckliche Lachen des Soldaten zu hören, das Krächzen der Aasvögel, sah die baumelnde Leiche, die einen gespenstischen Schatten auf die Stadtmauer warf.
Dann schüttelte Elisabeth die Erinnerung energisch ab. „Wir müssen weiter. Das Stift ist nicht mehr weit“, sagte sie zu Alain. Dieser nickte wortlos.
Als sie die Pferde antrieben, blickte ihnen der gekreuzigte Heiland, der über die Westbrücke wachte, reglos nach.
Bei Tagesanbruch sahen Elisabeth und Alain die mächtige Stiftsanlage vor sich. Mit ihren doppelten Wehrmauern und den neun Rundtürmen glich sie mehr einer Festung denn einem Kloster. Inmitten der Anlage ruhte die dreischiffige Stiftskirche im fahlen Dämmerlicht.
Es hatte wieder zu regnen begonnen. Aber das war Elisabeth einerlei, sie war zu erschöpft, um sich über ihre nasse Kleidung Gedanken zu machen, ebenso Alain, der am Ende seiner Kräfte war.
Langsam näherten sie sich dem Ziel ihrer Flucht. Wir haben es gleich geschafft, sagte Elisabeth sich immer wieder.
Sie überquerten den breiten Wassergraben, der die Nord- und Ostseite zusätzlich schützte, dann standen sie vor dem wuchtigen Zwinger des östlichen Haupttores, dem einzigen Zugang zur Klosteranlage.
Sie rutschten mehr von ihren Pferden, als dass sie abstiegen, mit letzter Kraft schlugen sie mit den Fäusten gegen das Tor.
Sie sahen die Gestalt nicht, die in einiger Entfernung aus dem Wald schlich und verharrte.
Sahen nicht das grausame Lächeln auf ihrem Gesicht.
Maréchal de camp François Antoine Gamelin hatte sein Ziel ebenfalls erreicht.
XXXVII
Die anderen hatten bereits aufgesattelt, nur Johann und Karl standen noch beim Eingang des Bauernhauses. Johann gab dem Bauern einen Beutel mit Geld. Der wog ihn kurz in der Hand, schüttelte dann den Kopf. „Zu viel für das bisschen Brot und Speck.“
„Es reicht für einen Tagelöhner oder Knecht. Zumindest über den Sommer.“
Der Bauer lächelte. „Dank euch. Und wenn ihr wieder in der Gegend seid – mein Haus steht euch immer offen.“
Johann schüttelte ihm die Hand. Er nickte der Frau des Bauern zu, ebenso Margarethe mit dem Säugling. „Ich wünsch dir viel Glück.“
„Euch auch, und noch einmal danke, dass ihr uns geholfen habt.“ Sie blickte an ihm vorbei zu Karl, der bereits auf dem Pferd saß. „Wir werden noch eine Weile hierbleiben und helfen. Die beiden meinten, sie könnten eine helfende Hand gebrauchen, und für meine Kleinen wäre eine Weiterreise viel zu anstrengend.“
Die Frau des Bauern nickte und strich liebevoll über Jacobs Haare.
„Vielleicht führt dich deine Rückreise ja hier vorbei?“ Margarethe lächelte Karl verschmitzt an.
„Das wäre durchaus denkbar“, sagte dieser und grinste.
Johann verzog keine Miene. „Ich pass schon auf deinen ‚Ehemann‘ auf.“
„Ehemann. Genau.“ Die Frau des Bauern schnitt eine Grimasse. „Aber mir kann man ja alles erzählen.“
Johann lächelte, dann gingen er und Karl zu den Pferden und schwangen sich in die Sättel. Es war kalt und regnerisch, aber das spielte keine Rolle. Morgen würden sie in
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