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Morbus Dei: Im Zeichen des Aries: Roman (German Edition)

Morbus Dei: Im Zeichen des Aries: Roman (German Edition)

Titel: Morbus Dei: Im Zeichen des Aries: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Zach , Matthias Bauer
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jedoch jedes Mal lächeln – die Bezeichnung hätte treffender nicht sein können.
    Gähnend rieb sich die Äbtissin die Augen. Es war über vier Jahrzehnte her, dass sie als Kind nach Göss gekommen war, und bald zehn Jahre, dass sie das Stift führte. Obwohl ihre Haut beinahe ohne Falten war und ihre Augen immer noch so energisch blickten wie in ihrer Jugend, spürte sie in der letzten Zeit vermehrt ihr Alter: Das Aufstehen zu den Vigilien fiel ihr schwerer und die Kälte der langen Wintermonate schien ihre Knochen gar nicht mehr verlassen zu wollen. Und auch den Streitereien und Händeleien unter den Schwestern, die sie in der Vergangenheit mit gutmütiger Strenge gelöst hatte, begegnete sie zunehmend mit Ungeduld.
    Sie blies warmen Atem in ihre klammen Hände. Immerhin würde es eine ruhige Woche werden. Die Türme des Stiftes waren endlich mit neuem Blech eingedeckt, der Pater Supremus lag krank darnieder und würde seine allumfassende Beichtabnahme für die Schwestern erst wieder vornehmen können, wenn er gesundet war. Die Äbtissin war darüber nicht unglücklich, denn wenn sie auch das Sakrament der Beichte sehr ernst nahm, war ihr der Pater Supremus doch etwas zu genau. Stundenlang konnte er vor allem die jüngeren Nonnen über ihre Sünden befragen, bis sie rote Ohren hatten. Niemand ist ohne Sünde, das war sein Leitspruch. Die Äbtissin hatte einmal eine junge Schwester flüstern hören, dass der Pater Supremus wohl selbst beim Erlöser noch einen Fehltritt finden würde. Sie hatte die Missetäterin gemahnt, dabei aber ein Lächeln nicht zurückhalten können. Die kleine Johanna hatte nicht ganz unrecht gehabt.
    Wirklich glücklich hingegen war die Äbtissin über die Tatsache, dass die Visitation durch den Prälaten nicht stattfinden würde. Nicht nur, weil eine Visitation in der Regel noch strengere Auflagen bedeutete, wobei sie sich fragte, wie streng man die Klausur für sie und die Schwestern noch auslegen konnte. Es ging vor allem darum, dass dem Prälat verborgen blieb, wer vor einigen Tagen in das Stift gekommen war.
    „Ehrwürdige Mutter Äbtissin? Seid Ihr da?“ Die schrille Stimme von Schwester Febronia, ihrer Messnerin, riss sie aus ihren Gedanken.
    Seufzend wandte sie ihren Kopf dem Eingang zu. „Ja, komm herein.“
    Die füllige Messnerin eilte in den Saal, wie immer außer Atem. „Ehrwürdige Mutter, es wünscht Euch jemand zu sprechen.“
    „Wer?“ Sie spürte wieder die Ungeduld. Febronia war eine gute Messnerin, aber sie hatte einen ausgeprägten Hang zum Dramatischen.
    „Ein Mann und eine Frau, von Aussehen und Gehabe her einfache Bauersleut. Sie sagen –“ Schwester Febronia zögerte.
    „Was sagen sie?“
    „– dass sie einen Pater Konstantin von Freising kennen.“
    Für einen Moment erstarrte die Äbtissin innerlich. Ihre Gedanken rasten. Konnte das ein Zufall sein? „Führt sie ins Parlatorium.“
    „Aber –“
    „Jetzt!“ Die Stimme der Äbtissin war so scharf, wie es Febronia selten gehört hatte. Die Messnerin floh geradezu aus dem Kapitelsaal.
    Elisabeth und Alain folgten Schwester Johanna über das Gelände des Stiftes in die Klausur. Als die Laienschwester ihnen vorhin kopfschüttelnd die Nachricht überbracht hatte, dass die Mutter Äbtissin sie tatsächlich empfangen würde, hatte Elisabeth Alain triumphierend angesehen. Der Franzose hatte anerkennend genickt.
    Sie gingen über einen schattigen Innenhof mit einem Brunnen in der Mitte. Es war Tag, der Himmel war grau und das Licht schmerzte. Sie zogen ihre Umhänge fester um sich. Schwester Johanna tat, als würde sie es nicht bemerken.
    Es herrschte geschäftiges Treiben: Nonnen gingen gemessenen Schrittes umher, schweigend, wie es Vorschrift war. Nur die jüngeren bleiben hie und da in kleinen Gruppen stehen und flüsterten kurz miteinander. In einem nicht enden wollenden Redeschwall erklärte Johanna Elisabeth und Alain, dass nach der Terz – dem dritten der insgesamt sieben Gebete und Gottesdienste des Tages – bis zur Sext und dem anschließenden Mittagessen gearbeitet wurde. Sie erzählte weiters, dass die Laienschwestern für die groben Alltagsarbeiten im Kloster zuständig waren, zum Beispiel in der Küche, in der Wäscherei, in der Brauerei und auf den Feldern. Außerdem bedienten sie die Chorfrauen. Deren Tag wiederum bestand neben dem Gebet aus Singen, Lesen, Transkribieren und Handarbeiten.
    Leitende Funktionen hatten neben der Äbtissin die Vorsängerin, die Messnerin, die Krankenschwester,

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