Morbus Dei: Im Zeichen des Aries: Roman (German Edition)
ein Wirt. Ihr braucht eher eine Armee.“
Der Preuße grinste. „Du siehst mir aus wie ein gestandener Kämpfer. Außerdem: Jede Armee steht und fällt mit einem gut gefüllten Magen.“ Er sah sich um, deutete auf die leeren Bänke und Stühle. „Und dankbarere Esser als die Tyroler sind wir allemal.“
„Ich denk drüber nach.“ Ludwig legte die Pfeife beiseite, stand auf und verließ die Stube.
In der Rauchkuchl nahm er Schinken und Speck von den rußigen Haken und packte sie in einen großen Sack.
Du solltest mit uns kommen.
Die Worte des Preußen gingen ihm nicht aus dem Kopf.
Er wusste nicht, ob der Mann im Scherz gesprochen hatte. Er wusste auch nicht, ob von Freising und seine Leute die Wahrheit sagten, und wenn ja, wie er bei ihrem irrsinnigen Vorhaben von Nutzen sein konnte.
Aber er wusste eines: Er konnte so nicht weitermachen. Vielleicht waren die Männer, die das Schicksal heute vor seine Tür geführt hatte, die Chance auf einen Neubeginn.
Du solltest mit uns kommen.
Die Chance, etwas Nützliches zu tun. Die Chance, jemanden zu retten, der sonst zweifelsohne sterben würde.
Er sah seine Frau und seinen Sohn vor sich. Sah ihre einsamen Gräber am Friedhof.
Du solltest mit uns kommen.
Und mit einem Mal wusste er, was er zu tun hatte. Die Entscheidung fiel, einfach und endgültig. Er würde kein zweites Mal untätig zusehen, wie jemand vor seiner Zeit starb. Diesmal würde er etwas dagegen unternehmen.
Und wenn ich dabei sterbe, habe ich es zumindest versucht und werde mit euch vereint sein.
Ludwig atmete tief durch, dann nahm er den Sack und verließ die Rauchkuchl.
L
Chronik des Tiroler Landbataillons
Innsbruck, Anno Domini 1704
Die Zuzugsordnung, die unser Kaiser und verehrter Landesherr Leopold I. aufgrund des ruhmreichen Einsatzes der Schützen gegen die Bayern veranlasst hat, tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft. Es werden unverzüglich zwölf Kompanien Scharf- und Scheibenschützen aufgestellt, die die Grenzen unseres Landes Tyrol verteidigen werden, wie es seit dem Landlibell heiliges Gesetz ist.
Feierlich begonnen wurde nun mit dem Bau der Annasäule im Herzen unserer Stadt, wie wir es gelobt haben, als die Bayern letztes Jahr geschlagen wurden.
Bei den Feierlichkeiten waren auch der kirchliche Gesandte Antonio Sovino und seine Männer anwesend. Dem Wunsch des Gesandten, einen Führer abgestellt zu bekommen, der die Täler und Pässe der hiesigen Gerichte kennt, wurde entsprochen. Feldwebel Sepp Gschliesser, einer der verdientesten Kämpfer im Boarischen Rummel, wird dem Gesandten und seinen Männern mit sofortiger Wirkung zugeteilt.
Bereits morgen wird der Gesandte die Stadt wieder verlassen, da er und seine Männer einen Auftrag zu erfüllen haben, der, wie er mehrmals betont hat, keinen Aufschub duldet.
Wieder mussten Schützen und Soldaten in der Nacht in die Koatlackn ausrücken. Diesmal haben Plünderer das offenbar verlassene Gasthaus von Ludwig Gasser gestürmt und verwüstet. Die Männer wurden verhaftet, Gasser selbst ist verschwunden. Laut den Aussagen der Bewohner wurde er seit mindestens einem Tag nicht mehr gesehen. Das alte Weib Ludmilla Hofstätter gab zu Protokoll, dass er tags zuvor mit mehreren Männern aus dem Viertel geritten sei, aber die Alte ist eine notorische Krakelerin und dem Schnaps sehr zugetan, sodass ihren Aussagen kein Glauben zu schenken ist.
LI
Vor Belluno hielten sie an. Generalleutnant Gamelin wandte sich an Brenner. „Geh zu Scarpi, dem Venezianer. Er ist der größte Händler am Markt. Sag ihm, dass wir hier sind und ein Quartier für die Nacht brauchen.“
Brenner spuckte aus, nahm seine Mütze ab und rieb sich den Kopf. „Und wenn er sich weigert? Die Venezianer richten ihr Fähnlein nach der leichtesten Brise.“
Gamelin grinste. „Das letzte Mal, als er das Wort gegen einen französischen General erhob, hat dieser seine Besitzungen im Norden niederbrennen lassen.“ Gamelin machte eine genüssliche Pause. „Er weiß, dass ich keine Widerworte dulde.“
Der Student nickte und jagte die Ebene hinab auf die Stadt zu, die idyllisch zwischen den Bergen lag und sich an den Fluss schmiegte.
Elisabeth hatte keinen Blick für die Schönheit der Landschaft. Gamelin hatte sie die letzten Tage unbarmherzig angetrieben. Mehrfach waren sie gezwungen gewesen, die Pferde auszuwechseln. Elisabeth befürchtete, dass der strenge Ritt dem ungeborenen Kind schadete, da sie immer wieder unter stechenden Schmerzen in ihrem Unterleib litt.
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